Aktuelle Forschung
Entwicklungsgen-Evolution und Adaptation in Kopf- und Schlundbezahnung bei Buntbarschen
Die Buntbarsch-Artenschwärme in den drei großen ostafrikanischen Seen, Victoria, Malawi und Tanganyika, bilden ein ideales natürliches „Mutanten-Modellsystem“ zur Erforschung der Katalysatoren der Entstehung vieler neuer Arten innerhalb kurzer Zeit, der sogenannten adaptiven Radiation. Hierbei ist die rasche Artentstehung eng mit der Spezialisierung auf verfügbare ökologische Nischen verknüpft. In Bezug auf die Buntbarsche wurde vorgeschlagen, dass ihr enormer evolutionärer Erfolg zumindest teilweise durch den Besitz einer „Schlüsselinnovation“ in Form von zwei unabhängigen Bezahnungen, den Kiefer- und den Schlundzähnen, erklärt wird, weil sie die rasche und effiziente Adaptation auf unterschiedlichste Nahrungsnischen erlauben. Die beiden Zahnstrukturen arbeiten unabhängig (packen/abbeißen – zerkleinern), weshalb sie komplementäre Anpassungsmodule, aber auch Module der Entwicklung, darstellen. Im Zuge der Besiedlung der drei großen Seen sind in jedem der drei Seen Arten mit äquivalenten Spezialisierungen parallel und unabhängig entstanden, wobei der Grad der genetischen und morphologischen Unterschiedlichkeit durch das unterschiedliche Alter der Seen voneinander abweicht.
Die Theorie der genetischen Akkommodation erklärt, wie spezialisierte Strukturen, die eine präzise Nischentrennung zwischen neuen Arten in einem Ökosystem erlauben, entstehen: (1) Eine Mutation oder eine Umweltveränderung bewirkt die plastische Ausbildung einer oder mehrerer neuer vererbter phänotypischer Variante(n) in einer Population; (2) die anfangs seltene Variante verbreiten sich (im Falle eines Umwelt-induzierten Variante durch das konsistente Auftreten der neuen Umweltsituation), wodurch eine neue Subpopulationen der erfolgreichen alternativen Phänotypen entsteht; und (3) Selektion auf die existierende genetische Variation für die Regulation oder Form des selektierten Merkmals bewirkt die genetische Fixierung bei den Individuen der neuen Sub-Population, wobei langfristig aus einer phänotypisch plastischen Arte zwei alternativ spezialisierte Arten entstehen können.
Im vorliegenden Projekt wollen wir prüfen, ob die genetische Architektur der öko-morphologischen Anpassungen der Kiefer- und Schlundzähne bei äquivalenten Arten aus den drei ostafrikanischen Seen den von der Theorie der genetischen Akkommodation vorhergesagten Mustern entspricht. Wir haben hierfür drei unterschiedlich lange diversifizierte Sets von Modellarten mit folgenden Spezialisierungen ausgewählt: Kleintierräuber, Allesfresser, Algenbeißer und Algenraspler. Durch Kombination von vergleichend-anatomischen (Mikro-Computertomographie) und genomischen Ansätzen (Next-Generation Sequenzierung) versuchen wir die regulatorischen Komponenten der involvierten Entwicklungsgene bei alternativen Morphologien zu finden und zu studieren. Wir untersuchen diese regulatorischen Netzwerke auf 4 Ebenen: Nicht-kodierende RNAs, epigenetische Regulation über CpG Methylierung, Genexpression und Gen-Evolution (Proteinevolution, Genduplikation).
Bone (red) and cartilage (blue) staining and morphology of Tropheus species, members of the spectacular adaptive radiation of cichlid fishes from East Africa. The transcriptional basis of their trophic morphology is reported in Singh et al. Genome Biol Evol (2017), 9(10): 2764–2781. doi: 10.1093/gbe/evx204
Photo credit: Barbara Dreo, Wolfgang Gessl, and Pooja Singh (University of Graz, Austria)
https://doi.org/10.1093/gbe/evy202