Inhalt
Veit Feichter beschreibt in seinem Dommesnerbuch sämtliche Aufgabenbereiche des Dommesners, soweit sie im entferntesten Sinn die Liturgie betreffen. Das sind zum einen die routinemäßigen Vorbereitungen der Gottesdienste durch die Bereitstellung der jeweils erforderlichen Messgewänder, liturgischen Bücher und Gegenstände, sowie das rechtzeitige Läuten der insgesamt sechs Glocken vor den Messen und diverse Handreichungen während der Messen, wobei es den jeweils richtigen Zeitpunkt für das Auftreten des Mesners und der Ministranten zu beachten galt. Dazu kommen zum anderen saisonale Aufgaben wie die Organisation von Prozessionen und die Ausrichtung der vier Hauptfeste des Kirchenjahres: Weihnachten, Ostern, Pfingsten und das Kirchweihfest, die jeweils besondere Vorbereitungen erforderten. So bildeten etwa diese markanten Einschnitte im Kirchenjahr jedesmal den Anlass zu einer Generalreinigung, die der Dommesner unter Heranziehung von zusätzlichem Personal zu bewerkstelligen hatte. Außerdem war der Dommesner für die Verwahrung, Pflege und Instandhaltung der im Rahmen der Liturgie benötigten Utensilien verantwortlich und teilweise sogar für deren Herstellung zuständig, wie etwa für das Kerzenziehen und Backen der Oblaten.
Der Aufbau des Textes folgt dem Kirchenjahr, beginnend mit dem ersten Adventsonntag. Im Anhang an den Hauptteil des Textes finden sich diverse Auflistungen (Verpflichtung der hohen Geistlichkeit zur Abhaltung von Festmessen, Berechnung des jährlichen Wachsbedarfs für die Anfertigung sämtlicher Kerzen, Anspruch der Offizianten auf Kerzen für die Messen, Läuten der Kirchenglocken zu Vesper und Matutin, ‘Kindlwiegen’ und schließlich, zu welchen Anlässen der Dommesner den Chorrock trägt). Auf fol. 182r-183v fügt Feichter in einem Nachtrag zuletzt eine Beschreibung des Requiems für Kaiser Karl V. am 15. Jänner 1559 hinzu.
Im Vergleich zu ähnlichen Schriften dieser Textsorte zeichnet sich Feichters Beschreibung seines Tätigkeitsfeldes und vor allem der liturgischen Riten im Umkreis der höchsten Kirchenfeste durch außerordentliche Detailliertheit aus und bietet somit speziell für die historische Liturgiewissenschaft eine überaus reiche Quelle. Die konservative Grundhaltung des Autors und sein offensichtliches Bemühen, althergebrachte Traditionen zu bewahren, berechtigen zu der Annahme, dass die von ihm beschriebenen liturgischen Bräuche zumindest bis weit ins 15. Jahrhundert zurückreichen.
Doch Feichters Pflichtbuch ist für uns nicht nur realienkundliche Quelle, sondern wir finden darin manch versteckten Hinweis auf das Leben im Dombezirk und auf das Zusammenleben von Geistlichkeit und Laien, zwischen denen die Domschüler eine Sonderstellung einnehmen. An der Prozessionsordnung ist die Hierarchie der Stände abzulesen, ebenso aus dem amtlichen Instanzenweg, der in gewissen Fragen einzuhalten ist. So manche kritische Äußerung über das ‘gemeine Volk’ weist darauf hin, wie wenig willkommen allzu interessierte Laien bei den gottesdienstlichen Handlungen waren, die schon durch ihre Unkenntnis der lateinischen Kirchensprache das Geschehen ohnehin nur als Zaungäste verfolgten und daher umso begeisterter allen Zeremonien beiwohnten, die ihrem Bedürfnis nach Anschaulichkeit ein wenig entgegenkamen (z.B. Verehrung des Jesuskindes an den Weihnachtsfeiertagen, Anbetung Jesu am Heiligen Grab an den letzten beiden Tagen der Karwoche, Himmelfahrt Christi, Herabkunft des Heiligen Geistes zu Pfingsten).
Andrea Hofmeister
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