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Pflege älterer Menschen und Hilfe zur Selbsthilfe

Bericht des Arbeitskreises I

Andreas Schöpfer

1. Zielsetzungen des Arbeitskreises

Die Zielsetzungen des Arbeitskreises "Pflege älterer Menschen und Hilfe zur Selbsthilfe" lassen sich wie folgt zusammenfassen: Nach einer Analyse der derzeitigen Situation im intra- und extramuralen Pflegebereich und der zu erwartenden Situation in den nächsten Jahrzehnten gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Gegebenheiten Rechnung zu tragen, die in dieser Zeit auf uns zukommen werden.

Dazu gehört die Errichtung von Modellen für die Übergangspflege vom Akutspital zu den Pflegeinstitutionen, für die Kapazitäts- und Qualitätssicherung und deren Verbesserung im Bereich der ambulanten und der Heimpflege. Es wird auch notwendig sein, vermehrt Hilfe und verbesserte Informationen für die zu Pflegenden und deren Angehörige zu schaffen. Ebenso wurde in Grundzügen die Arzneimittel- und Schmerztherapie älterer Menschen besprochen. 

2. Derzeitige Situation und Zukunftsaussichten

Durch die verbesserten Lebensbedingungen sowie durch deutliche Fortschritte in der Medizin kam es in den letzten Jahrzehnten zu einer extremen Zunahme der Lebenserwartung. Dadurch vermehrte sich naturgemäß der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung. Nach Daten des Wiener Seniorengesundheitsberichtes des Jahres 1997, der den Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung mit derzeit ca. 20,4% angibt, wird diese Zahl bis zum Jahr 2030 auf etwa 30% steigen.

Weiters kam es zu einer signifikanten Veränderung der Familienstrukturen, ein Prozeß, der in den Städten weitgehend abgeschlossen zu sein scheint, jedoch in den ländlichen Regionen erst voll einsetzt. Wir beobachten durch das vermehrte Auftreten von Nebenerwerbslandwirtschaften den Zerfall alteingesessener "Bauernfamilien" und mit dem dadurch unmittelbar zusammenhängenden Verlust von Pflegepotential innerhalb der Familien einen drastischen Anstieg des Bedarfes an Pflegebetten vor allem im Bereich der ländlichen Regionen.

Weiters kam es durch die gestiegene Lebenserwartung zu einem ebenfalls beträchtlichen Anstieg der Altersmorbidität und damit auch zu einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit älterer Personen. So ist zum Beispiel bei den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, die bereits heute die Krankenstatistik anführen, in den nächsten Jahren kein Rückgang zu erwarten. Ebensowenig zeichnet sich ein solcher bei der Krankheitsgruppe der Demenzen ab.

Bei den zerebrovaskulären Erkrankungen bietet sich ein ebenso dramatischer Blick in die Zukunft. Die Steiermark ist nach wie vor das "Schlaganfalland" Nummer eins in Zentraleuropa. Während in Deutschland etwa 104 Schlaganfalltote pro 100.000 Einwohnern als internationaler Durchschnitt gelten, so verzeichnet die Steiermark mit 161 Toten eine negative Rekordzahl.

Zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie andere Formen der Demenz: Man muß bereits heute davon ausgehen, daß ca. 4% der heute 65 bis 69jährigen Menschen nicht mehr mit dem täglichen Leben zurecht- kommen.

Diese Zahl verdoppelt sich mit jedem 5. Jahr, sodaß im Bereich der 95jährigen und darüber bereits ein Drittel dieser Menschen eine schwere Demenz entwickelt hat. Derzeit gibt es in der Steiermark ca. 13.500 Demenz-Patienten, und im Jahr 2050 werden es bereits 34.000–35.000 sein.

Dadurch ergibt sich neben einer erforderlichen Kapazitätssteigerung im Bereich der Pflegeplätze auch eine ungeheuerliche Kostenexplosion, selbst dann, wenn das Pflegepotential in den Familien am heutigen Stand bleibt und nicht, wie wir erwarten, weiter sinkt. Demnach werden wir in der Steiermark in diesem Zeitraum ca. 10.000–15.000 Pflegebetten mehr brauchen. (Siehe Studie von Doz. Dr. Walzl, Seite 69ff.)

Natürlich kommt gerade bei den oben genannten Erkrankungen der Prävention und auch der Rehabilitation im Alter eine große Bedeutung zu. Bereits heute wissen wir, daß die auslösenden Faktoren für kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen in erster Linie erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen, Bluthochdruck sowie Diabetes mellitus sind. Einschränkend muß jedoch dazu gesagt werden, daß trotz dieses bereits seit Jahren bestehenden Wissens ein Rückgang der Morbiditäts- bzw. Mortalitätsrate keinesfalls erreicht wurde.

Weiters kommt ein ständiges Ansteigen der Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates hinzu, die damit verbundene Zahl der Krankenstandstage bzw. der Krankenhausaufenthaltsdauer liegt nach Statistiken der österreichischen Sozialversicherungsträger mittlerweile um eine Zehnerpotenz über den akuten Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems.

Als dringende Notwendigkeit ergibt sich daher, daß im Gegensatz zu den Gewohnheiten der letzten Jahrzehnte der Rehabilitation älterer Menschen ein größerer Stellenwert eingeräumt werden muß, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, aus der Spirale der Grunderkrankung zur Pflegebedürftigkeit zu entkommen.

3. Akutspital, Entlassungsplanung, Übergangseinrichtungen

Durch das neue Modell der Krankenhausfinanzierung werden von den Krankenkassen nicht mehr die Pflegetage, in denen der Patient im Akutspital liegt, bezahlt, sondern es erfolgt eine reine diagnoseabhängige Pauschalabgeltung, unabhängig davon, wie viele Tage der Patient aufgrund seiner Grunderkrankung oder seines akut erlittenen Gebrechens im Spital bleiben mußte.

Diese veränderte Situation führte dazu, daß heute Patienten früher entlassen werden. Vor allem im chirurgischen, aber auch im internen und neurologischen Bereich kam es zu einer deutlichen Verkürzung der Krankenhausaufenthalte, was natürlich auch zur Folge hat, daß vor allem ältere Personen – die beispielsweise nach einem Schenkelhalsbruch noch immobil, nicht vollständig, sondern nur in Ansätzen rehabilitiert und aufgrund ihrer Situation auch pflegebedürftig sind – sehr früh aus dem Akutspital entlassen werden und, wenn überhaupt, erst nach einem Intervall von einigen Tagen bzw. Wochen einer Rehabilitation zugeführt werden.

In dieser Phase werden Ansätze von Rehabilitationsmaßnahmen, mit denen im Krankenhaus begonnen wurde, wieder vergessen, und der Patient wird zumeist in einem physisch und psychisch schlechteren Zustand einer Therapie zugeführt.

Weiters kommt es immer mehr zu überraschenden Entlassungen am Wochenende, sodaß sich der Arbeitskreis naturgemäß auch mit der Entlassungsplanung beschäftigte.

Im Gegensatz zu den bisherigen Gewohnheiten steht für uns der Beginn der Entlassungsplanung bereits bei dessen Aufnahme in die stationäre Pflege fest. Hierzu notwendig ist auch die Einrichtung eines interdisziplinären Gremiums als zentraler Informationsstelle im Krankenhaus, das den Patienten und dessen Angehörige von Beginn an während des gesamten Spitalaufenthaltes zur Seite steht. Dieses interdisziplinäre Gremium sollte aus Pflegepersonal, Arzt und Sozialarbeiter bestehen.

Es sollte ein regelmäßiger Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen dem Personal aus den stationären und extramuralen Pflegebereichen stattfinden, damit die Erkrankten unter den besten Voraussetzungen entlassen und zu Hause dem Allgemeinzustand gemäß betreut werden können.

Als dringend notwendig erachten wir auch die verpflichtende Integrierung des zu Pflegenden sowie der betroffenen Angehörigen in die Entlassungsplanung sowie die Aufklärung der Angehörigen über die Möglichkeiten einer häuslichen Pflege bzw. Heimpflege.

Eine verpflichtende Regelung über den Erhalt von benötigten Medikamenten für das Wochenende (wie es bereits von der KAGES üblicherweise mittels Erstellung eines Kassenrezeptes gehandhabt wird, ein Defizit besteht hier vor allem im Bereich der privaten Krankenhäuser) sowie die Unterlassung von überraschenden Entlassungen an Wochenenden ist unserer Meinung nach unbedingt erforderlich.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß eine gründliche, patientenorientierte Entlassungsplanung, die nicht nur aus der Perspektive des Akutspitals zu betrachten ist, als fixer Bestandteil der Versorgung eines Patienten als unbedingt notwendiges Qualitätskriterium der medizinischen Versorgung zu gelten hat.

Aus der verkürzten Aufenthaltsdauer des Patienten im Akutspital folgt konsequenterweise die Überlegung, noch nicht völlig rehabilitierte Personen in Übergangseinrichtungen bzw. Rehabilitationszentren wieder auf das "normale" Leben zu Hause vorzubereiten.

Aber auch den Familien muß die Möglichkeit zur Vorbereitung auf das Leben zu Hause nach dem Akutspital oder der Rehabilitation, mit Pflege- oder Betreuungsaufgaben, geboten werden. Daher bedarf es dringend der Schaffung von Kapazitäten in der Kurzzeit- und Übergangspflege sowie einer begleitenden Wissensvermittlung und Schulung für die Angehörigen. Die Finanzierung dieser Einrichtungen muß im öffentlichen Interesse sein, da man sicher nur durch die vollständige und lückenlose Rehabilitierung und Rückführung der Patienten in den normalen Alltag die bereits im letzten Kapitel erwähnte Spirale von kurzzeitiger Pflegebedürftigkeit zum pflegebedürftigen Patienten unterbrechen kann.

Anmerkung: Ein noch nicht zur Zufriedenheit gelöstes Problem stellt in diesem Punkt das österreichische Mietrecht dar, denn trotz optimalem Übergang von Akut- zu Übergangs- bzw. Rehabilitationseinrichtungen kann nicht immer garantiert werden, daß Patienten die vollständige Wiedereingliederung in ihr gewohntes Leben und damit auch in ihre eigene Wohnung schaffen. Hier sieht das derzeit geltende Mietrecht auch die Möglichkeit einer Kündigung vor, wenn nicht vorhersehbar ist, ob der Mieter wieder in seine Wohnung zurückkehren kann. Hier möchten wir auf jene Studie verweisen, die sich mit den juristischen Problemstellungen bei älteren Menschen beschäftigt. (Siehe: Ausgewählte rechtliche Aspekte des Älterwerdens von Mag. Bernd Terlitza)

Weiters wurde die direkte Anschließung von Übergangseinrichtungen an Akutspitäler diskutiert. Es gilt zu überlegen, ob die eventuell durch die Reduzierung der Bettenzahl mancher Abteilungen freiwerdenden Kapazitäten nicht dazu genutzt werden können, um die Übergangspflege nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich direkt an das Krankenhaus anzuschließen. Die Überlegung dahinter besteht in einer Fortführung der bereits begonnenen physikotherapeutischen bzw. logopädischen Maßnahmen durch die TherapeutInnen im Hause. Somit ergibt sich ein nahtloser Übergang von der stationären Akutversorgung in die Rehabilitationsphase.

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Therapie und Rehabilitation geriatrischer Patienten sind Tageszentren mit Möglichkeiten zur Einzel- und Gruppentherapie, wobei neben physikotherapeutischer Rehabilitation Seniorentrainingscenter, Gruppentherapien gezielt etwa für Alzheimerpatienten und geriatrisches Assessment angeboten werden sollten.

4. Information

Es muß vorausgeschickt werden, daß es in den letzten Jahren vermehrt Anstrengungen gab, den Informationsfluß von den betreuenden Stellen an die zu betreuenden Personen und deren Angehörige zu gewährleisten (z.B. Erstellung des Seniorenhandbuches), jedoch scheint das Problem in der heutigen Situation auf einer teilweise mangelnden Akzeptanz und Unüberschaubarkeit dieser Bemühungen zu beruhen.

Ein Grundproblem ist sicher die mangelnde Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung, Themen wie Pflegebedürftigkeit, Altersheim sowie Altersmorbidität sind in großen Teilen der Bevölkerung nach wie vor ein Tabu, es überwiegt die Verdrängung dieser Themen anstatt einer sorgfältigen Planung des letzten Lebensabschnittes.

Nachdem im Gegensatz zu den Ländern des angloamerikanischen Raumes Ansätze einer Bewußtseinsbildung dahingehend in unseren Breiten erst in den Kinderschuhen stecken und dies eine gesellschaftspolitische Entwicklung ist, die sich voraussichtlich noch über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte erstrecken wird, muß auf die Akuthilfestellung im Falle einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit zurückgegriffen werden.

Hier sehen wir als relevante Möglichkeit die sofortige Kontaktaufnahme mit den Stellen, die Informationen anbieten, in erster Linie die im Kapitel "Entlassungsplanung" angesprochene Informationsstelle im Krankenhaus mit der betroffenen Person und deren Angehörigen. 

5. Angehörige

In diesem Kapitel soll besonders auf die Situation pflegender Angehöriger eingegangen werden, jedoch ohne den Anteil Angehöriger zu vernachlässigen, die ihre Verwandten in ihrer eigenen Wohnung oder in Heimen begleiten.

Vorab muß gesagt werden, daß pflegende Angehörige eine Leistung an der Gesellschaft erbringen, die kaum honoriert wird, jedoch volkswirtschaftlich gesehen von größter Relevanz ist. Trotz der immensen physischen und psychischen Belastung, unter der sie zweifelsohne stehen, stellen sie eigene Interessen wie persönliche Berufsentwicklungen, Einkommensmöglichkeiten, Versicherungsjahre etc. hintan.

Nach wie vor ist die Organisation von pflegenden Angehörigen in Selbsthilfegruppen oder Interessenvereinigungen kaum ausgebildet, denn die Benötigung von Hilfe sowohl im physischen als auch im psychischen Bereich wird noch immer als ein Zeichen von Hilflosigkeit und Schwäche angesehen.

Bereits im Akutspital muß es zu einer fixen Integrierung der betroffenen Angehörigen bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus kommen und ihnen bis zur Entlassung die Möglichkeit geboten werden, sich das Notwendige "gewußt wie" für die Betreuung des Erkrankten mit all seinen Bedürfnissen zu Hause aneignen zu können.

Über Ärzte, Pflegepersonal und Sozialarbeiter soll eine ständige Kommunikation mit den Angehörigen über die Situation des zu Pflegenden stattfinden.

Um die weitere Gesundheit und die finanzielle Situation der pflegenden Angehörigen (meistens Frauen) zu sichern, sollen folgende Möglichkeiten vor einer Entlassung angesprochen werden:

 

  1. Die finanzielle Situation.
  2. Hilfestellung bei der Erstellung des Pflegegeldantrages und bei der Hilfsmittelversorgung.
  3. Im Falle der Unvereinbarkeit der Fortsetzung einer Berufstätigkeit sollte eine Aufklärung bzw. Information über Weiterversicherungsmöglichkeiten und wieviel vom Pflegegeld der pflegenden Person zusteht stattfinden. Überlegungen zu einer Form von Pflegekarenz wären zu empfehlen.
  4. Unterstützung bei der Pflegeplanung mit der Einbeziehung der Hauskrankenpflege, der mobilen und sozialen Dienste als auch von Nachbarn, Freunden und Verwandten, um Freiraum und Pflegequalität zu Hause zu ermöglichen.

Vermehrtes Augenmerk sollte auf eine professionelle Schulung pflegender Angehöriger gelegt werden, die bereits während des stationären Aufenthaltes, jedoch auch danach bedürfnisorientiert an sie herangetragen werden sollte. Da pflegende Angehörige nicht nur physisch, sondern auch psychisch extrem starken Belastungen ausgesetzt sind, halten wir die professionelle Betreuung auch auf diesem Gebiet für unbedingt erforderlich, jedoch ist sicher auch in diesem Punkt eine Bewußtseinsbildung notwendig, daß die Arbeit des Pflegenden nicht als selbstverständlich hingenommen wird, sondern der Wert an der Gesellschaft erkannt wird.

Nicht zuletzt fordern wir dringend die Möglichkeit ein, "Urlaub" von der Pflegetätigkeit nehmen zu können. Hierzu notwendig ist wiederum die Schaffung von Kapazitäten in der Kurzzeitpflege, um das Recht der pflegenden Angehörigen auf Erholung zu gewährleisten und damit auch der Gefahr eines Burn-Out-Syndroms vorzubeugen. Die Finanzierbarkeit solcher Angebote sollte auf der Grundlage der Heimfinanzierung machbar sein, damit es auch in Anspruch genommen werden kann.

6. Ambulante Dienste

Ambulante Dienste stellen in der Versorgung von noch zu Hause lebenden, jedoch leicht pflegeabhängigen Senioren sowie in der Hilfestellung von pflegenden Angehörigen einen wichtigen Baustein dar. Umso bedeutender ist die Absicherung des Angebotes. So muß es in den einzelnen Sprengeln zu einer Festlegung eines Schlüssels für Quantität und Qualität der angebotenen Dienste kommen.

Wünschenswert wäre weiters die Einbindung von freiwilligen Helfern in diese Dienstleistungsorganisationen, wobei es bereits eine Modellpalette gibt, die von reiner Nachbarschaftshilfe über gegenseitige Hilfestellung von Senioren an Senioren bis zu in professionelle Pflegeeinrichtungen integrierte Tätigkeitsbereiche reichen.

Als ebenso wichtig wird es angesehen, daß das von den Pfleglingen erhaltene Pflegegeld auch an einen Nachweis für dessen widmungsgemäße Verwendung gekoppelt wird, sei es durch private Hilfeleistung oder durch institutionalisierte Hilfe.

Als markante Forderung im Kapitel "ambulante Dienste" sehen wir den Fachbeirat für ambulante Dienste nicht politisch, sondern er wäre mit Fachkräften, die aus dem Pflegebereich kommen, zu besetzen.

7. Pflegeheime

Zu Beginn dieses Kapitels möchten wir feststellen, daß im Gegensatz zum angloamerikanischen Raum, aber auch im Gegensatz zu Ländern Nordeuropas das Pflegeheim als Alterssitz noch immer viel zu häufig mit negativen Begriffen wie "abschieben", "Insassen" etc. behaftet ist. Dies resultiert natürlich aus einer in unserer Zeit nicht abzustreitenden Vereinsamung vor allem älterer Personen durch die Veränderung der Familienstrukturen, die immer mehr verlangte örtliche Flexibilität am Arbeitsplatz, aber auch durch die Tatsache, daß das Altwerden und die damit zusammenhängende Planung des eigenen letzten Lebensabschnittes sehr oft verdrängt wird.

Vor allem in den ländlichen Regionen stehen wir vor der Tatsache, daß immer mehr Pflegebetten benötigt werden, da auch hier in den letzten Jahren die Pflegekapazität in den Familien drastisch zurückgeht.

Hinzu kommt die Angst vor einer nicht ausreichenden Fürsorge in einer Zeit, in der man seine Grundbedürfnisse nicht mehr selbständig befriedigen kann. Diese Angst wird zusätzlich durch einige wenige "schwarze Schafe" unter den Pflegeheimen, die tatsächlich nicht in der Lage sind, eine qualitativ ausreichende Altenpflege zu leisten, verstärkt.

Wir möchten im folgenden Kapitel aufzeigen, wo die Ansatzpunkte für eine Verbesserung im stationären Pflegebereich sein könnten.

Die Umsiedelung in ein Pflegeheim trifft die Mehrzahl der Senioren unerwartet, oft mit einem akuten Ereignis wie einer plötzlich aufgetretenen Krankheit oder einem Unfall verbunden. Zusätzlich zur Bewältigung dieses Grundereignisses steht der aus dem "normalen, häuslichen Leben" gerissene Mensch nun vor der Tatsache, daß er zugleich auch aus seinem Lebensraum gerissen wurde.

Was schon seit jeher mit dem Sprichwort "man kann einen alten Baum nicht verpflanzen" alte Volksweisheit war, wurde auch durch beeindruckende Studien bewiesen, nämlich daß der Intelligenzquotient eines bereits leicht verwirrten älteren Menschen, der aber durchaus in der Lage ist, für sich selbst ausreichend zu sorgen, durch einen, wenn auch nur kurzzeitigen Ortswechsel so drastisch abnehmen kann, daß er zumindest vorübergehend geistig dekompensiert. Nur ein geringer Prozentsatz aller alten Menschen plant den Umzug in ein Pflegeheim selbst, und vor allem nicht zu einem Zeitpunkt, in dem man noch zu einer wirklichen Veränderung seiner Lebensumstände und zu einer Neueingewöhnung und auch zur Kontaktaufnahme mit Mitbewohnern imstande ist.

Zunächst wollen wir auf das Gebiet der Pflegequalität näher eingehen. Wie bereits oben erwähnt, gibt es trotz Pflegeheimgesetz immer noch Heime, in denen nicht einmal eine, wie wir es formulieren möchten, "Warm-satt-sauber-Pflege" durchgeführt werden kann.

Hinzu kommt die Problematik einer nicht immer adäquat durchgeführten Kontrolle dieser Häuser.

Wir fordern daher eine permanente Kontrolle der Pflegeheime, um die erforderliche Qualität zu garantieren, sowie die Schaffung funktionsfähiger Heimbewohneranwaltschaften. Letztgenannte sind ebenso wie das Pflegepersonal bei Neubau- und Umbauplanungen unbedingt einzubeziehen, um in der Vergangenheit immer wieder auftretende Planungsfehler zu vermeiden.

Weiters fordern wir, den im Steiermärkischen Pflegeheimgesetz (11. Okt. 1994, § 1, personelle Mindestausstattung nach Pflegestufen) vorgeschriebenen Mindestpflegepersonalschlüssel zugunsten des den tatsächlichen Notwendigkeiten entsprechenden Bedarfes zu novellieren. Die Heime und die zuzahlenden Sozialhilfestellen berufen sich auf den gesetzlichen "Mindestpflegepersonalschlüssel", und somit wird eine "menschenunwürdige", sogar gefährliche Pflege gerechtfertigt. Auch eine "Warm-satt-sauber-Pflege" ist menschenunwürdig und stellt eine "Objektpflege" dar, da sie den Menschen zur "Sache" werden läßt.

Diese Forderungen klingen vielleicht banal, sind jedoch ein Eckpfeiler, um ein Mindestmaß an Qualitätssicherung zu gewährleisten. Einen Schritt weiter geht unsere Überlegung und die daraus resultierende Forderung nach einer Pflege, die

a) selbstbestimmend (auch nonverbal mitteilbar),
b) ganzheitlich (Körper – Psyche – Geist – Seele) ,
c) bedürfnisorientiert (persönliche Lebensbedürfnisse) und
d) beziehungsorientiert (der Pflegebedürftige als „Person“) ist.

Dazu soll natürlich nicht nur den baulichen Gegebenheiten eines Heimes Rechnung getragen werden, sondern im gleichen Maße oder sogar darüber hinaus dem konkreten pflegerischen "Praxis-Pflegemodell" des Pflegeheimes.

Die Erbringung eines Nachweises darüber hätte über die Pflegedokumentation zu erfolgen.

Auch das engagierteste Team eines optimal eingerichteten Pflegeheimes stößt bei der zeitlichen und personellen Umsetzung seiner Ziele an die finanziellen Grenzen, die ihm durch die Pflegegeldleistung gesetzt werden.

Wir fordern daher eine höhere, dem tatsächlichen Pflegeaufwand entsprechende Pflegeeinstufung mit daraus resultierender höherer Pflegegeldleistung. Vor allem Alzheimer- und Demenzerkrankte, also Pflegebedürftige mit einem besonders hohen Aufwand, sind nach wie vor zu niedrig eingestuft.

Beim Feststellen und Festlegen der Pflegestufe muß neben dem Arzt der Versicherungsanstalt auch eine kompetente Fachkraft aus dem Pflegebereich das Mitspracherecht haben.

Nur ein konsequentes Erfüllen dieser Forderungen kann zu einer entsprechenden Qualität in der stationären Pflege und damit auch zu einer Imagekorrektur der Pflegeheime führen. 

8. Arzneimittel- und Schmerztherapie

An die Ärzte:

Aus der Sicht des Pharmakologen wäre es wichtig, die Arzneitherapie beim alten Menschen auf ein Minimum an Präparaten zu reduzieren. Weniger ist oft mehr, da Patienten die Polypragmasie (Einnahme vieler verschiedener Arzneimittel) ablehnen und dann eigenmächtig "herumtherapieren".

An die Politiker:

Nur ein schmerzfreies Leben ist lebenswert. Die nach wie vor komplizierte Verordnung starker Schmerzmittel hat noch immer einen stark hemmenden Einfluß auf eine vernünftige Schmerztherapie. Eine Herausnahme von analgetischen Retardformen aus dem Schutzmittelgesetz könnte die Situation für viele Schmerztherapien verbessern. 

9. Zusammenfassung und Forderungskatalog

Entlassungsplanung:
1. Beginn der Entlassungsplanung zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme.
2. Verpflichtende Integrierung der betroffenen Patienten und Angehörigen.
3. Verpflichtende Aufklärung der Angehörigen über Möglichkeiten einer häuslichen Pflege bzw. Heimpflege.
4. Vermehrte Kommunikation mit Betroffenen durch Ärzte, Pflegepersonal und Sozialarbeiter.
5. Regelung für benötigte Medikamente bei kurzfristigen Entlassungen.
6. Keine „überraschenden“ Entlassungen (z.B. Wochenende).
7. Einrichtung eines interdisziplinären Gremiums und einer zentralen Informationsstelle im Krankenhaus für die Planung der weiteren Versorgung (Arzt, Pflegepersonal, Sozialarbeiter).
   
Übergangseinrichtungen:
1. Schaffung von Kapazitäten zur Kurzzeit- und Übergangspflege.
2. Diskussion über direkte räumliche Anschließung an Akutspitäler.
3. Schaffung von Tageszentren mit Möglichkeiten der Einzel- und Gruppentherapie (z.B. Alzheimerpatienten, Seniorentrainingscenter, geriatrisches Assessment).
   
Angehörige:
1. Wie unter Punkt „Entlassungsplanung“ angeführt: Verpflichtende Integrierung der Angehörigen in die Entlassungsplanung, frühzeitige Kontaktaufnahme, Aufklärung, Kommunikation.
2. Professionelle Schulung von Angehörigen.
3. Professionelle physische und psychische Betreuung.
4. Schaffung eines Angehörigenbeirates.
   
Ambulante Dienste:
1. Festlegung eines Schlüssels für Quantität und Angebot in den Sprengeln.
2. Möglichkeit zur vermehrten Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer.
3. Der Fachbeirat für ambulante Dienste soll nicht politisch, sondern mit Fachleuten besetzt werden.
   
Heime:
1. Dem tatsächlichen Pflegeaufwand entsprechende Einstufung.
2. Damit verbunden höhere Einstufung bei verwirrten, dementen und Alzheimerpatienten.
3. Verpflichtende Beiziehung von Pflegepersonal bei der Einstufung.
4. Permanente Kontrollen der Heime zur Qualitätssicherung (nicht nur nach Anzeige).
5. Gültigkeit des Pflegeheimgesetzes, sobald die Pflege als Dienstleistung gegen Entgelt angeboten wird, unabhängig von der Zahl der Bewohner.
6. Erweiterung der verpflichtenden Pflegedokumentation.

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