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Der ältere Mensch am steirischen Arbeitsmarkt

HELFRIED FASCHINGBAUER

1. Einleitung

Die Arbeitsmarktbilanzen des Jahres 1999 – österreichweite Erhöhung des Beschäftigungsniveaus und deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit – werden politisch als "Wende" am österreichischen Arbeitsmarkt gefeiert. Von dieser Entwicklung scheint die Gruppe der älteren (1) Arbeitskräfte ausgeschlossen: Die Zahl der älteren Menschen unter den Arbeitslosen ist weiter gestiegen.

Der Situation der Älteren am Arbeitsmarkt wurde in letzter Zeit massive politische Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist nicht verwunderlich in Vorwahlzeiten. Verwunderlich ist aber, daß die Arbeitslosigkeit Älterer in der ersten Hälfte der 90er Jahre deutlich größer war und diesen Grad an Aufmerksamkeit aber nicht genoß. Die Situation hat sich verschärft: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die Änderungen im Pensionssystem und die Dramatik der Änderungen im Produktionssystem haben die "Ventile" zur Bewältigung der Situation verstopft. Es ist zu vermuten, daß wir den Endpunkt der negativen Entwicklung noch nicht erreicht haben. Von den Sozialpartnern und der Regierung wurde eine Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Älteren in einem "Pakt" zusammengefaßt. Ob die Maßnahmen tatsächlich in einem größeren Ausmaß zur Linderung der Probleme beitragen, muß sich noch erweisen. Skepsis erscheint mir in der gegenwärtigen Situation durchaus angebracht.

Die Entwicklung, die die Arbeitsmarktsituation der Älteren in Österreich bzw. in der Steiermark nimmt, folgt keinen Naturgesetzen, sondern ist abhängig von den Entscheidungen von Menschen: PolitikerInnen aus unterschiedlichen Politikbereichen, MitarbeiterInnen arbeitsmarktpolitisch tätiger Institutionen, UnternehmerInnen und Betroffenen. Zwar unterliegen für das Marktverhalten relevante Entscheidungen Bedingungen, die von den Entscheidungsträgern nicht verändert werden können, eine Reihe von Rahmenbedingungen ist aber durchaus veränderbar.

In der arbeitsmarktpolitischen Diskussion über die Situation der Älteren auf dem Arbeitsmarkt (2) werden u.a. folgende Faktoren für die Entwicklung verantwortlich gemacht:

  • Demographische Gegebenheiten:
    Die Zahl der Älteren im Arbeitskräftepotential (Beschäftigte und Arbeitslose) nimmt massiv zu und wird weiter zunehmen; gleichzeitig ist auch die Zahl der Personen im "Haupterwerbsalter" stark angestiegen.
  • Steigende Erwerbsbeteiligung:
    Im Kontext der demographischen Entwicklung wirkt die steigende Erwerbsbeteiligung Älterer multiplikativ; besonderes bei den Frauen gibt es hier noch einen Nachholbedarf, der auch ein wesentliches beschäftigungspolitisches Ziel darstellt.
  • Pensionssystem:
    Finanzierungsprobleme im System der Pensionsversicherung haben den Zugang bei "vorzeitigen" Pensionierungen erschwert; ein Ventil zur Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt wurde verengt, es bilden sich Warteschlangen in der Arbeitslosigkeit.
  • Strukturwandel im Produktionsbereich:
    Der nunmehr seit fast zwei Jahrzehnten währende Strukturwandel im Produktionssystem schreitet immer rascher fort und umfaßt nicht nur die Produkte und die Technologien, sondern auch die Organisation der Arbeit.
  • Veränderung beruflicher Qualifikationen:
    Geänderte Produkte und Dienstleistungen, neue Technologien und neue Organisationsformen von Arbeit erfordern "neue Produzenten"; viele Betriebe sehen die Ausbildung von MitarbeiterInnen noch immer ausschließlich von der Kostenseite und nicht als Investition in die Zukunft. Ältere Arbeitskräfte werden nur dann in Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen, wenn sie bereits in guten Positionen sind. Das "Dequalifizierungsrisiko" von Älteren steigt stark an.
  • Generelle Verjüngungsprozesse:
    auf betrieblicher Ebene in Verbindung mit Rationalisierungen und Veränderungen in der Arbeitsorganisation.
  • Anstieg im Arbeitskräfteangebot:
    Das Arbeitskräftepotential ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, was zu einer zunehmenden Konkurrenz am Arbeitsmarkt führt, der vor allem die Älteren ausgesetzt sind.
  • Vorurteile in Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber Älteren:
    Ältere Arbeitskräfte sind beim Zugang zum Beschäftigungssystem auch Diskriminierungsprozessen ausgesetzt, die keine fachliche Basis haben.

Die Diskussion um arbeitsmarktpolitische Probleme in unserer Gesellschaft bezieht ihre Brisanz aus der Bedeutung von Arbeit für die Gesellschaft und für den einzelnen. Es geht nicht nur um die finanzielle Basis der Existenz, sondern um die Existenz schlechthin: Wertschätzung, Macht, Zufriedenheit, soziale Beziehungen, physische und psychische Gesundheit bzw. Krankheit werden über den Arbeitsmarkt zumindest mitverteilt.

 

1 Als „ältere“ Arbeitskräfte werden Personen, die 50 Jahre und älter sind, bezeichnet.
2 BMAGS: „Älter werden in Österreich“. Wien 1999, S. 68f.
3 Quelle: Wifo Datenbank.
4 Ich beziehe mich hier auf das gesamte Bundesgebiet, da Daten für die Steiermark nicht zugänglich waren; ich gehe davon aus, daß sich Entwicklungstendenzen grundsätzlich nicht unterscheiden.
5 Gezählt und statistisch ausgewiesen werden die Beschäftigungsverhältnisse und nicht die beschäftigten Personen. Bei der Arbeitslosigkeit werden Personen gezählt. Während eine Person gleichzeitig mehrere Beschäftigungsverhältnisse innehaben kann, kann sie nur einmal zur gleichen Zeit arbeitslos sein. Diese Zählweise führt zu einer Unterschätzung der Problematik auf dem Arbeitsmarkt.
6 Auswertungen AMS Steiermark.
7 Auswertungen AMS Steiermark.
8 Auswertungen AMS Steiermark.
9 Zilan/Malle: aaO, S. 240.
10 Maria Hofstätter: „Wandel der Arbeitslandschaft nach Tätigkeiten“. In: Silvia Angelo ua.: „Europäische Beschäftigungspolitik in der Arbeitswelt 2000“. Verlag des ÖGB, Wien 1999, S. 147 f.
11 Auswertung AMS Steiermark.
12 Barkholdt/Frerichs/Naegele: „Altersübergreifende Qualifizierung – eine Strategie zur betrieblichen Integration älterer Arbeitnehmer“. In: MittAB, 3/95, S. 425ff.
13 Hacker, W: „Prospektive Arbeitsgestaltung und Personaleinsatzplanung auch für ältere Arbeitnehmer.“ (1992). Zitiert nach Barkholdt u.a.: aaO, S. 428.
14 Die Festlegung einer einheitlichen Altersgrenze für Männer und Frauen ist durchaus problematisch, da dadurch der soziale Aspekt bei der Definition von „älter sein“ ausgeschlossen wird.
15 Quelle: Auswertungen des AMS Steiermark.
16 Norbert Geldner: „Beschäftigungswirkungen einer Arbeitsmarktflexibilisierung in der Steiermark“. Wien, Juni 1999, S. 9 (unveröffentlichtes Manuskript)
17 Norbert Geldner: „Der Arbeitsmarkt als System co-evolvierender Verhaltensweisen“. In: Angelo, Silvia ua: „Europäische Beschäftigungspolitik in der Arbeitswelt 2000. Verlag des ÖGB, Wien 1999, S. 317f.
18 Quelle: AMS Steiermark.
19 Quelle: AMS Steiermark.
20 Quelle: AMS Steiermark.
21 Zilian/Malle aaO, S. 238.
22 Chef einer Aufzugsfirma zit. nach Zilian/Malle, S. 238.
23 AMS Österreich: „Die Rückkehr in eine temporär unterbrochene Beschäftigung“. Wien 1999.
24 „Die Wiederaufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses beim selben Betrieb, bei dem vor mehr als 28 Tagen ein Dienstverhältnis aufgelöst wurde.“
25 Zilian/Malle: „Spreu und Weizen“. Das Verhalten der Arbeitskräftenachfrage. Nausner & Nausner, Graz 1994, S. 326.
26 Zilian/Malle: siehe oben, S. 326.
27 Anhang zum Nationalen Aktionsplan: „Pakt für ältere ArbeitnehmerInnen“, BMAGS, Wien 1999.
28 AMS Steiermark: „Implacementstiftung für ältere Arbeitslose in der Steiermark“, Graz, April 1999.
29 Zum Beleg dieser These sei an die Arbeitsmarktsituation an den Beginn der 70er Jahre erinnert. Zu diesem Zeitpunkt war unter Bedingungen hoher Arbeitskräftenachfrage, wenn auch unter anderen Produktionsbedingungen- „jede“ Arbeitskraft einsatzfähig.
30 Diskriminierung kann unterschiedliche Ursachen haben, die unterschiedlich zu bekämpfen sind.
 
  • UnternehmerInnen, KundInnen, MitarbeiterInnen haben Präferenzen für Jüngere, die nicht durch Leistungsmerkmale zu rechtfertigen sind,
  • das Arbeitsangebot der Älteren unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von jenem der Jüngeren,
  • es gibt ein Informationsdefizit am Markt: Zugangsschwierigkeiten zu Beschäftigung und Qualifizierung gibt es nur deshalb, daß Ältere ihre Fähigkeiten schlechter signalisieren können.
31 Irene Horejs: „Job Transfer“. Frühzeitige und betriebsnahe Arbeitsmarktpolitik. Hg.: ÖSB Unternehmensberatung, Wien 1998, S. 6.

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