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Das steirische Pflegeheim

Rechtliche Rahmenbedingungen – Bestand – Zukunft

Gabriele Holzer, Günter Feeberger

I. Entwicklung

Die steirischen Pflegeheime waren in nicht allzu ferner Vergangenheit durch rechtliche Vorschriften geprägt, die eine einheitliche Problemlösung nicht ermöglicht haben. Da war z.B. die Gewerbeordnung, die jenen Betreibern, die gewinnorientiert waren, die Rahmenbedingungen vorgegeben hat. Weiters war seit jeher die Fürsorge bzw. dann die Sozialhilfe relevant, die auf Grund ihrer Kostentragungsfunktion einen bedeutenden Einfluß auf den Bestand und die Entwicklung der Heime genommen hat. Des weiteren karitative Organisationen, die ebenso wie öffentliche Einrichtungen unter steuerlicher Privilegierung eine andere wirtschaftliche Orientierung verfolgten als auf Erwerb gerichtete Betriebe.

Diese Situation hat sich Anfang der 90er Jahre durch ein grundsätzliches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geändert, mit dem die Zuständigkeit der Länder zur Regelung dieses Bereiches ausgesprochen wurde. Das Steiermärkische Sozialhilfegesetz hat bis dahin eine Unterscheidung zwischen "Heimen der Sozialhilfe" und solchen Heimen, mit dessen Trägern vertragliche Vereinbarungen zu schließen waren, gemacht. Hier hat sich wieder eine Zwiespältigkeit ergeben, so daß im wesentlichen zwischen Heimen der Sozialhilfeverbände und der Stadt Graz und Heimen, die von karitativen Organisationen oder Erwerbsbetrieben geführt wurden, unterschieden werden mußte.

Noch im Novellierungsentwurf zum Steiermärkischen Sozialhilfegesetz im Jahre 1993 wurde versucht, diese Materie im Sozialhilfegesetz zu regeln, wobei man sich voll bewußt war, daß mit dieser Regelung nur solche Betriebe einbezogen werden können, die Sozialhilfeempfänger aufnehmen. Eine allseits befriedigende Lösung, wie sie sich dann später abzeichnete, hätte durch diesen Versuch sicher nicht zustande gebracht werden können. Durch die Vermischung der Funktionen ist es dazu gekommen, daß Sozialhilfestellen (Sozialhilfeträger – Behörden) eine Drehscheibenfunktion ausübten und für die "Einweisung" und Aufnahme in die Pflegeheime "zuständig" waren. Diese Funktion wurde vielfach auch für jene Personen in Anspruch genommen, die durchaus in der Lage waren, die Kosten in einem Pflegeheim aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu begleichen.

Schon längere Zeit war ein eigenes steirisches Pflegeheimgesetz konzipiert, das sich am deutschen Vorbild orientierte und das auch den damals bestehenden Salzburger Entwurf als Basis herangezogen hat.

Das Ergebnis ist aber vom erwähnten Entwurf sehr deutlich abgewichen, weil z.B. auf eine Errichtungsbewilligung verzichtet wurde und weil Bereiche, die durch andere Gesetze geregelt sind, nicht einbezogen wurden (z.B. Hygienevorschriften u.a.). Das Steiermärkische Pflegeheimgesetz ist also im Ergebnis sehr abstrakt gefaßt und gibt in verständlicher Form wieder, welche Ziele mit diesem Gesetz erreicht werden sollen. Allen voran das Ziel der Sicherung der Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner mit dem sehr positiven Zusatznutzen einer Bewußtseinsbildung im Bereich der Bevölkerung und der Heimbetreiber. Das Pflegeheimgesetz soll aber auch zur Sicherung der Menschenwürde der Heimbewohner beitragen, wozu eine Selbständigkeit vorausgesetzt wird, die auch in einem Selbstbestimmungsrecht ihren Ausdruck finden soll. Diese Intentionen wurden noch durch eine Festlegung im Sozialhilfegesetz ergänzt, die österreichweit revolutionär erscheinen mag, dem Grunde nach jedoch nur die Umsetzung eines Grundbedürfnisses (Rechtes) ist – nämlich die Möglichkeit der freien Heimwahl. In der Praxis gibt es auch in anderen Ländern die Möglichkeit, das Heim frei zu wählen; im Bundesland Steiermark ist jedenfalls die freie Heimwahl unter Rechtsanspruch garantiert. Hier wird oft das Argument für das Gegenteil bemüht, der "Patient" sei körperlich und/oder geistig nicht in der Lage, dieses Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Dagegen muß auf die zivil- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Vertretung bzw. die Regelung des Sachwalterschaftswesens verwiesen werden. Die oben angeführte Argumentation würde demnach auch zur Unterstellung führen, der (zukünftige) Bewohner sei wegen seiner Pflegebedürftigkeit auf jeden Fall Objekt wohlwollender Bevormundung; dies steht aber eindeutig gegen die Ziele des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes.

Wenn man also Menschenwürde im Sinne von Selbständigkeit und Selbstbestimmungsrecht verwirklichen will, müssen die Bewohner mit entsprechenden Rechten ausgestattet werden. Eine – etwas unbeachtete – Regelung des Heimgesetzes ist das Recht, daß der Bewohner, unabhängig von Kündigungsregelungen, das Pflegeheim ohne Angabe von Gründen jederzeit verlassen kann; es ist somit eine Konsumentenschutzbestimmung, die dadurch relativiert wird, daß der Heimbetreiber in diesem Fall einen Betrag von 10 Tagsätzen verlangen kann. Das freie Heimwahlrecht, auch für Personen, die für die Unterbringung und Betreuung in einem Pflegeheim Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, löst die bisher übliche Einweisung (auch solcher Personen, die eigentlich ihre Kosten selbst bezahlen können) ab; der Heiminsasse wird zum Heimbewohner, das Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl der Pflegebedürftigen (ersatzweise ihrer Angehörigen bzw. Sachwalter) wird dadurch gefördert und trägt auch zur qualitätsorientierten Steigerung des Heimangebotes bei.

Das Pflegeheimgesetz will aber sicher nicht für sich in Anspruch nehmen, daß sämtliche Pflegebedürftigkeit in stationären Einrichtungen gedeckt werden sollte, sondern im Gegenteil, die Pflege im Heim sollte eine positive Alternative sein, wenn der Pflege- und Betreuungsbedarf durch mobile Dienste nicht oder nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann.

II. Bestand

 Die derzeitige Situation in der Steiermark zeigt, daß mit einem Bettenbestand von 6.743 (Stand Juni 1999) die Prognose, welche im Bedarfs- und Entwicklungsplan aus dem Jahre 1997 erstellt wurde, bereits heute zumindest quantitativ überschritten ist. In diesem Bedarfs- und Entwicklungsplan wurde ein Soll-Bestand für das Jahr 2010 von 6.309 Pflegebetten angenommen.

Bei den 6.743 Pflegebetten handelt es sich um jene, die nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz in Pflegeheimen bewilligt sind. Darüber hinaus gibt es noch Pflegebetten, die sich auf sogenannten "Pflegeplätzen" (Pflege und Betreuung von max. 4 Bewohnern, die ein Pflegegeld beziehen) befinden; sie sind aber ziffernmäßig nicht relevant.

Zurückkommend auf die bewilligten Pflegebetten, bietet eine Gegenüberstellung der vorhandenen Pflegebetten im Land Steiermark und in den Bezirken zu der Einwohnerzahl einen groben Überblick über den Bedarf in den jeweiligen Regionen.

Wenn man davon ausgeht, daß zumindest quantitativ der Pflegebettenbedarf gedeckt ist, berechtigt dies zu einer Gegenüberstellung, bezogen auf den Landesdurchschnitt. Diese Gegenüberstellung kann aber nur für eine grobe Beurteilung des Bedarfes herangezogen werden. Detailliertere Bedarfskriterien sind z.B. regional hoher Nachholbedarf in qualitativer Hinsicht, hochwertige Alternativversorgung von Pflegebedürftigen durch soziale Dienste, Familie oder Fremdpflege, gemeinde- bzw. ortsnahe Versorgung in kleineren Pflegeheimen, bedarfsgerechte Angebote seitens der Pflegeheime im Hinblick auf Therapien, Beschäftigung, allgemeine Lebensgestaltung u.ä.

In den folgenden Tabellen wird dargestellt, wie sich die Anzahl der Pflegebetten zur Einwohnerzahl verhält. Ausgegangen wird von der Gesamteinwohnerschaft der Steiermark mit dem Ergebnis, daß pro 1.000 Einwohner 5,7 Pflegebetten bestehen (Stand Juni 1999).

 

Land  Einwohner Betten Betten pro 1.000 Einwohner
 Steiermark 1.184.720 6.743

5,7

In der zweiten Tabelle wird die Situation in den einzelnen Bezirken dargestellt, wobei die Abweichung vom Landesdurchschnitt in Bezug auf die Bettenanzahl in der letzten Rubrik (ohne Anspruch auf rechnerische Präzision) ersichtlich ist.

 

Bezirk Einwohner Betten ‰ Durchschnitt Abweichung vom
Landesdurchschnitt +/-
Betten +/-
Graz-Umgebung 118.048 588 5,0 -0,7 -82
Feldbach 65.751 169 2,6 -3,1 -203
Hartberg 66.787 218 3,3 -2,4 -160
Voitsberg 54.577 176 3,2 -2,5 -136
Deutschlandsberg 60.581 289 4,8 -0,9 -54
Weiz 83.207 389 4,7 -1,0 -83
Leibnitz 71.712 339 4,7 -1,0 -71
Murau 32.257 186 5,8 0,1 3
Fürstenfeld 22.293 137 6,1 0,5 11
Judenburg 50.112 299 6,0 0,3 15
Leoben 73.372 430 5,9 0,2 14
Liezen 81.352 483 5,9 0,2 16
Graz 237.810 1.430 6,0 0,3 71
Knittelfeld 29.526 243 8,2 2,5 73
Radkersburg 24.799 234 9,4 3,7 91
Bruck/Mur 67.774 528 7,8 2,1 142
Mürzzuschlag 44.762 605 13,5 7,8 349
SUMME 1.184.720 6.743 5,7    

 

Einen besonderen Stellenwert hat die mit 1.5.1997 eingeführte freie Heimwahl in der Steiermark, die sich insofern auszuwirken beginnt, daß künftige Bewohner vermehrt die Qualität der Heime beachten. Dieser Prozeß ist jedoch erst im Anfangsstadium. Die Bevölkerung ist über das Angebot derzeit noch nicht genügend informiert. Informations- und Servicearbeit leistet das Referat für das Pflegeheimgesetz ständig durch Aussendungen von hiezu speziell aufgelegten Pflegeheimlisten, die sich stets am neuesten Stand befinden. Um einen noch breiteren Zugang zu bieten, auch im Sinne einer Arbeitserleichterung, ist eine Einschaltung ins Internet vorgesehen; Informationsveranstaltungen sollen dieses Ziel auch weiterhin unterstützen.

 Das Bundesland Steiermark hat also den bisher besprochenen Zielen legistisch insofern nachgeholfen, als es z.B. seit dem neuen Sozialhilfegesetz 1998 auch für Personen, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, das Recht der freien Heimwahl garantiert. Dies betrifft nicht nur öffentliche Heime, sondern die freie Wahl kann sich auf private, karitative und öffentliche Heime beziehen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die stationäre Unterbringung wurden von der Universität Innsbruck untersucht. Hierüber gibt es eine ausführliche Studie von Herrn Univ.-Prof. Dr. Heinz Barta und Herrn V.Ass. Dr. Michael Ganner. (1) 

 

Rechtliche Rahmenbedingungen für die pflegerische Betreuung in stationären Einrichtungen findet man in folgenden Gesetzen:

  • Steiermärkisches Pflegeheimgesetz, LGBl.Nr. 108/1994, das mit 1. Jänner 1995 in Kraft getreten ist. Das Pflegeheimgesetz verzichtet auf eine inhaltliche Definition der Pflegebedürftigkeit und bezieht sich diesbezüglich auf die Pflegegeldgesetze (... pflege- oder betreuungsbedürftig sind jedenfalls ...). Zweck des Gesetzes sind die Beachtung der Menschenwürde und die Selbständigkeit der Heimbewohner. Eine Errichtungsbewilligung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Im Bewilligungsverfahren werden die baulichen, technischen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen beurteilt. Die Personalausstattung orientiert sich an der Pflegebedürftigkeit der Bewohner, die Einstufung ist nach den Pflegegeldgesetzen festzulegen.
  • Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl.Nr. 29/1998. Auch für Personen, die nur mit finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand Heimpflege in Anspruch nehmen können, besteht seit diesem Gesetz die Möglichkeit der freien Heimwahl. Der Heimbetrieb ist aber bei Aufnahme eines Sozialhilfeempfängers an finanzielle Obergrenzen gebunden (§ 13 Abs. 1 und 2 SHG), die mit der
  • Verordnung, LGBl.Nr. 30/1998, festgelegt wurden, wobei drei Kategorien für die Ausstattung festgelegt sind.
  • Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB). Durch den Eintritt in ein Pflegeheim besteht ein vertragliches Verhältnis, wofür also zivilrechtliche Bestimmungen heranzuziehen sind. Das Pflegeheimgesetz legt jedoch im Sinne seiner Zweckwidmung bestimmte Vorgaben fest, die zum Teil auch als Konsumentenschutzbestimmung gesehen werden können; z. B. § 3 Abs. 6 PHG ... Der Heimbewohner kann den Vertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen lösen ...
  • Pflegegeldgesetze, die sowohl zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit herangezogen werden als auch Maßstäbe für die Festlegung der personellen Ausstattung sind.
  • Personalschlüsselverordnung, LGBl.Nr. 48/1995, womit die Personalmindestausstattung festgelegt wurde.

 

III. Aussichten

Die sicherlich auch mit der Einführung der Pflegegeldgesetze verbundene Aktivität auf dem Gebiet der Pflegeheimerrichtung und -verbesserung führt zu einem Wettbewerb der Anbieter, wobei unter Beobachtung der Entwicklung mit einem Ergebnis gerechnet werden kann, daß am Ende der Entwicklung nicht das Einheitspflegeheim, sondern eine Vielfalt von Angeboten zur Verfügung steht, so daß der künftige Bewohner unter mehreren Aspekten wählen kann: z.B. die Ortsnähe oder besondere Angebote im Rahmen der Betreuung und Therapie oder sonstige Kriterien, die dann zur Entscheidung führen können.

Auf seiten der Bewohner ist eine Entwicklung zu erwarten, die etwa dahin geht, daß künftig Pflegeheimbewohner selbständiger und vor allem selbstbewußter sind. Man kann erwarten, daß sich Heimbewohner-Interessenvertretungen stärker entwickeln, wobei durchaus auch Angehörige einbezogen sein können, wie es auch jetzt zum Teil in Ansätzen schon praktiziert wird.

Weiters kann erwartet werden, daß dem gesellschaftspolitischen Trend zufolge aus Single-Haushalten auch Bewohner kommen, die dann das Einzelzimmer bevorzugen. Einer daraus zu befürchtenden Entwicklung – einsam im Heim – sollte dann durch Aktivitäten der Heimbetreiber und auch der Bewohner bzw. Bewohnervertreter Einhalt geboten werden. Eine weitere Erwartung kann in die gemeinde- oder ortsnahe Betreuung und Pflege gesetzt werden, eine Entwicklung, die dazu führen kann, daß Großheime beispielsweise die Anzahl der Betten pro Zimmer reduzieren oder ihr Angebot ganz oder teilweise spezialisieren.

Es kann auch erwartet werden, daß die bisherige Meinung, eine wirtschaftliche Führung eines Heimes würde von der Anzahl der Betten abhängen, durch diese Entwicklung eher theoretisch wird; vor allem wenn kleine gemeindenahe Einrichtungen mit bestimmten Aufgaben beispielsweise im Rahmen der integrierten Sozial- und Gesundheitssprengel eingebunden werden oder sich zusätzlich ähnlichen Aufgaben widmen, wie z.B. der Tagesbetreuung. Jedenfalls sollte die Entwicklung dahin gehen, daß einerseits selbstbewußten und selbstbestimmenden Pflegebedürftigen die Möglichkeit geboten wird, aus einer Vielfalt von Angeboten zu wählen, andererseits die Betreiber ihre Angebote den Bedürfnissen der (zukünftigen) Bewohner möglichst flexibel anpassen. Der selbstbewußte Bewohner der Zukunft wird auch viel eher bereit sein, seine wirtschaftlichen Möglichkeiten für eine möglichst angenehme Gestaltung seines Lebens einzusetzen; dasselbe gilt auf Grund der neu geschaffenen gesetzlichen Situation, aber auch für künftige Heimbewohner, die zur Deckung der Kosten Sozialhilfe in Anspruch nehmen.

1 Heinz Barta/Michael Ganner (Hg.), Alter, Recht und Gesellschaft – Rechtliche Rahmenbedingungen der Alten- und Pflegebetreuung, Innsbruck 1998.

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