Chancen und Möglichkeiten gesellschaftspolitischer Partizipation älterer Frauen und Männer in steirischen Seniorenorganisationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Rosemarie Kurz
Von der Verfasserin der Arbeit (1) wurde eine dreiteilige Hypothese formuliert:
- Institutionalisierte Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien sind wichtig für pensions-, pflegerechtliche und allgemeine rechtliche Fragestellungen.
- Sie sind jedoch an einer basisorientierten Mitsprache älterer Frauen und Männer in allgemeinen gesellschaftlichen Belangen derzeit eher wenig interessiert.
- Ältere Frauen und Männer, die außerhalb der durch das Bundes-Seniorengesetz begünstigten Seniorenorganisationen stehen, fühlen sich eher nicht vertreten.
Zum ersten Teil der Hypothese konnte über Quellenarbeit nachhaltig bewiesen werden, daß die etablierten Seniorenorganisationen im Vorfeld politischer Parteien seit Beginn des Bestehens wichtige Problemansätze älterer Menschen innerhalb der Mutterpartei und in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellten. Sie trugen so dazu bei, daß relevante Fragestellungen hinsichtlich pensions- und pflegerechtlicher sowie allgemein rechtlicher Problemlagen der älteren Bevölkerung konsequent einer positiven Lösung zugeführt werden konnten. Dies entspricht der Zielsetzung und den Satzungen der untersuchten Organisationen, die sowohl ihre Mitglieder als auch den Personenkreis älterer Frauen und Männer, die diesen Organisationen nicht angehören, in diesen Fragen vertreten.
Durch das neue Bundes-Seniorengesetz haben bundesweit agierende Seniorenorganisationen mit mehr als 20.000 Mitgliedern sowohl Zugang zu einer Infrastruktur als auch zu finanziellen Mitteln, um sich für die Belange der älteren Bevölkerung Österreichs einsetzen zu können. Das Bundes-Seniorengesetz stellt sicher, daß die Vertretung für die Anliegen der älteren Generation gegenüber den politischen Entscheidungsträgern auf Bundesebene sowie Beratung, Information und Betreuung von SeniorInnen durch die über das Gesetz definierten Seniorenorganisationen gewährleistet wird. Es sieht zwar keine stimmberechtigte Vertretung der älteren Generation vor, es ist jedoch der berühmte erste Schritt in Richtung einer effizienten politischen Partizipation.
Der zweite und dritte Teil der Hypothese, die eine Mitglieder-orientierte Seniorenpolitik in Frage stellen, werden generell anhand von Mitsprachemodellen dargestellt und dann in den Schlußfolgerungen in einer Gesamtzusammenschau nochmals erörtert.
Mitsprache in Seniorenorganisationen im Vorfeld politischer Parteien – Anspruch und Wirklichkeit
In den untersuchten parteinahen Seniorenorganisationen konnte festgestellt werden, daß die Arbeitsstrukturen so angelegt sind, daß eine größtmögliche Durchlässigkeit von der Basis zur obersten Funktionärsplattform und vice versa gegeben ist. Allerdings wird dieser Ansatz hinsichtlich einer basisorientierten Mitsprache in Lebensbereichsfragen eher wenig genutzt. Dies liegt einerseits daran, daß die Mitglieder der Seniorenorganisationen eher wenig Interesse an einer aktiven Mitgestaltung von gesellschaftspolitischen Fragestellungen haben und sich von ihren Organisationen sowohl in den pensionsrechtlichen als auch in den allgemeinen gesellschaftspolitischen Fragen ausreichend vertreten fühlen. Andererseits besteht auf Funktionärsebene derzeit kein ausgeprägtes Interesse, die Masse der Mitglieder zu mobilisieren. Frei nach dem Motto: "Schlafende Hunde soll man nicht wecken!"
Von den Strukturen her gesehen, wären die Seniorenorganisationen durchaus in der Lage, ihren Mitgliedern Mitsprache im Sinne von aktiver Teilhabe und Teilnahme von selbstinitiierten und selbstgetragenen Projekten zuzugestehen, diese zu unterstützen und zu fördern. Funktionäre betonten in Experteninterviews immer wieder, daß Mitsprache auf allen Ebenen gegeben sei. Sie artikulierten jedoch gleichzeitig ihr Unverständnis gegenüber einer Kritik durch die Öffentlichkeit hinsichtlich derzeitiger Mitsprachegegebenheiten. Dies läßt den Schluß zu, daß die Funktionäre einerseits und ältere Menschen, die diesen Organisationen nicht angehören, andererseits völlig unterschiedliche Auffassungen und Sichtweisen haben, was eine fundierte Mitsprache und Partizipation betrifft. Die Seniorenorganisationen im Vorfeld politischer Parteien verstehen darunter eine straff geführte Organisation, die über vorgegebene Strukturen Meinungen und Wünsche der Mitglieder über Abstimmungsmodalitäten kanalisieren und diese dann nach oben weitergeben. Daß auf diesem Weg von der Basis bis zur Seniorenkurie hin einiges verlorengeht, wird von den Funktionären als demokratischer Reibungsverlust hingenommen.
Die älteste Seniorenorganisation in Österreich und in der Steiermark ist der Pensionistenverband, der seit 50 Jahren (in der Steiermark 40 Jahre) besteht. Er kann auf beachtliche Erfolge hinsichtlich der Renten- und Pensionsentwicklung zurückblicken. Der Steirische Seniorenbund mit seinen 35 Bestandsjahren hat seinen Arbeitsschwerpunkt ebenfalls dem Sozialen verschrieben, um den berechtigten Ansprüchen der älteren Generation zum Durchbruch zu verhelfen. Der Seniorenring ist die jüngste Seniorenorganisation im Vorfeld politischer Parteien und genießt den Vorteil der späten Geburt insofern, weil wichtige Errungenschaften hinsichtlich Renten- und Pensionsanpassungen bereits erkämpft worden waren und der notwendige Wandel bezüglich einer modern gestalteten und geführten Seniorenorganisation bereits abzusehen war. So ist es nicht verwunderlich, daß die moderne Forderung nach Empowerment und Mitsprache auf fruchtbaren Boden fiel und diese als Chance für eine zeitgemäße Gestaltung einer Seniorenorganisation gesehen wurde.
Das 1998 eingeführte Bundes-Seniorengesetz ist eine konsequente Weiterführung der Politik der etablierten Seniorenorganisationen, die dank ihrer Nähe zu den Parteien und der großen Zahl ihrer Mitglieder für sich ein Vertretungsmonopol ausverhandeln konnten. Trotzdem ist zu beachten, daß in der Steiermark nur ca. 30% der laut Bundes-Seniorengesetz definierten SeniorInnen Mitglieder in den parteinahen Seniorenorganisationen sind. Es erhebt sich die Frage, ob deren Programme in der derzeitigen Form den Interessen und Forderungen der älteren Generation in genügendem Ausmaß entsprechen, denn 70% dieser Personengruppe stehen außerhalb. Das legt den Schluß nahe, daß sich die "schweigende" Mehrheit nicht den Seniorenvertretungen zugehörig bzw. nicht von diesen vertreten fühlt.
Menschen, die die Schwierigkeiten der Ersten Republik, das nationalsozialistische Regime und die Nachkriegszeit hautnah mit ihren kontroversen und parteipolitischen Machenschaften miterlebten, zeigen offensichtlich eher wenig Interesse, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren. Ihre Möglichkeiten der Mitsprache beschränken sie bewußt auf das Wahlrecht, das eher als Wahlpflicht empfunden wird.
Die Abbildung verdeutlicht, daß nur 30 Prozent der SeniorInnen in der Steiermark Mitglieder in Seniorenvertretungen sind. (2) |
Frei nach dem Kabarettisten Helmut Qualtinger "Der Papa wird’s schon richten" hat der Wohlfahrtsstaat zudem den BürgerInnen das Gefühl vermittelt, daß der Staat die wichtigen Belange des Lebens regelt. Diese Einstellung, gekoppelt mit Politikverdrossenheit und einer biographisch bedingten Autoritätsgläubigkeit, ist eine wesentliche Hemmschwelle für die heute ältere Generation, sich für Mitsprache zu erwärmen. Allerdings ist davon auszugehen, daß die sogenannten "Neuen Alten" sich in Zukunft anders verhalten werden.
Die Arbeitsweise der Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien basiert auf einer jahrzehntelangen Tradition. Sie haben ein Klientel, das aufgrund des tradierten Parteienzugehörigkeitsgefühls auch im Pensionsalter eine Seniorenorganisation auswählt, die eine bestimmte Parteilinie vertritt. Die Mehrzahl der Mitglieder ist 70 Jahre und älter. Nach den Aussagen der Funktionäre ist in den Städten ein Mitgliederschwund zu verzeichnen, der jedoch derzeit über den Zuwachs durch die Landbevölkerung ausgeglichen wird.
Der organisatorische und personelle Aufbau der Seniorenorganisationen ist durchstrukturiert und würde ein breitangelegtes Mitspracheforum der Mitglieder begünstigen. Vorherrschend ist bis dato aber eher eine Betreuung der Mitglieder, die auf eingefahrene und seit Jahrzehnten gut funktionierende Denk- und Arbeitsweisen basiert. Eine Forcierung von Mitsprachemöglichkeiten sowie eine Wende in Richtung gesellschaftlicher Teilhabe und Teilnahme durch die Mitglieder ist auf der einen Seite erst in Ansätzen auszumachen. Auf der anderen Seite beklagt die Führungsebene jedoch, daß die Mitglieder wenig Interesse an Mitsprache hätten und daß bei Sitzungen und Arbeitskreisen immer dieselben "Gesichter zu sehen wären".
Dem kann die Verfasserin dieser Arbeit entgegenhalten, daß sich ältere Menschen durch bildungspolitische Schwerpunktsetzungen sehr wohl motivieren lassen und daß diese Art der Veranstaltungen zur Zeit in den Programmen für die "einfachen" Mitglieder des PV und des SB fehlen. Das Programm des Steirischen Seniorenbundes "Informieren, Interessieren, Intervenieren" beinhaltet Ansätze zu einer mitgliederorientierten Seniorenpolitik, die die Lebenswelten der älteren Bevölkerung aktiv miteinbezieht und ihre Mitglieder über Bildungsprogramme für aktive Mitsprache und Teilhabe zu motivieren versucht.
Experteninterviews mit Funktionären belegen hinsichtlich der Mitsprachemöglichkeiten in Seniorenorganisationen die Diskrepanz der unterschiedlichen Sichtweisen von Basis und Führung. Während letzteren die ständig wiederkehrende öffentliche Forderung nach mehr Mitsprache unverständlich ist, da von seiten eben dieser Funktionäre alles getan würde, um diese zu gewährleisten, fühlen sich laut Umfrage ältere Frauen und Männer, die diesen Organisationen nicht angehören, in der Wahrung ihrer Interessen nicht vertreten, d.h. ein Mitsprachedefizit wird geortet. Der Generalsekretär des Österreichischen Seniorenbundes faßt dieses Mißverhältnis in klare Worte.
"Es geht weniger um Informationen nach oben oder nach unten. Wir müssen unterscheiden, was die große, schweigende, stumme Menge der älteren Menschen, die Hunderttausende, und was die paar Funktionäre betrifft. Da liegen ja Welten dazwischen. [...]" (3)
Letztlich hängt es aber vom persönlichen Engagement der Funktionäre ab, inwieweit neue Inhalte Eingang in die Arbeit der Seniorenorganisationen finden bzw. wie Mitsprachemöglichkeiten gelebt werden. Partizipation von vielen auf basisdemokratischer Ebene erscheint für viele Funktionäre schwieriger handhabbar zu sein als die "Diktion bzw. Ideeneinbringung von oben". (4)
Die unter 2. angeführte Hypothese, daß in den Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien ein eher geringes Interesse an emanzipatorischer Mitsprache besteht, hat sich in dieser Untersuchung insofern bestätigt, als Funktionäre in Experteninterviews klar die Meinung vertraten, daß es ihre Aufgabe sei, sich für die Mitglieder einzusetzen, und daß sie von ihren Mitgliedern erwarteten, daß diese sich bei Serviceleistungen profilieren mögen.
Führungspositionen in den Seniorenorganisationen
Seniorenorganisationen sind nach Aussage der Funktionäre offen für jede Person, unabhängig von ihrer parteipolitischen Präferenz. Allerdings wird eingeräumt, daß für Funktionärstätigkeiten ein Naheverhältnis zur Partei, in deren Vorfeld gearbeitet wird, bestehen sollte. Dieses Naheverhältnis wird in den jeweiligen Organisationen unterschiedlich gehandhabt. Funktionäre der Seniorenvertretungen sind vorwiegend Personen, die während ihrer Aktivzeit für die Parteien gearbeitet haben und denen sie in ihrer nachberuflichen Zeit weiterhin zur Verfügung stehen. Da in den Jahrgängen der heute über 60jährigen ein aktives parteipolitisches Engagement von Frauen eher selten war, sind in der Führungsschicht der Seniorenorganisationen heute vorwiegend Männer zu finden. Frauen sind jedoch als einfache Mitglieder in der Mehrzahl. Dieses Mißverhältnis zwischen Führungspositionen und Mitgliederzahlen wird von den älteren Frauen zwar wahrgenommen, jedoch nicht öffentlich diskutiert. In informellen Gesprächen wird von den weiblichen Mitgliedern sehr wohl Kritik geäußert. Für manche ältere Frauen, die den parteinahen Seniorenorganisationen nicht als Mitglieder angehören, ist dieser Tatbestand einer der Gründe, warum sie diesen Organisationen fernbleiben. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, in welchem Ausmaß männliche Funktionäre die Ansprüche von alten Frauen, die den überwiegenden Teil der Hochbetagten einerseits und der Pflegenden andererseits stellen, realistisch vertreten können.
Zusammenhänge zwischen Bildung und Partizipation
Die untersuchten parteinahen Seniorenorganisationen verfügen über Strukturen, welche die Möglichkeit bieten, jedes Mitglied in der Steiermark vor Ort anzusprechen. Politische Bildung in Form von Referaten oder Seminaren wäre Sache eines entsprechenden Angebotes. Zum Beispiel könnte der Schwerpunkt "Wohnverhältnisse älter werdender Menschen" innerhalb einer steirischen Gemeinde zum Thema gemacht werden, und Mitglieder der Seniorenorganisationen könnten dabei lernen, ihre Wünsche zu äußern, um diese dann innerhalb der Gemeindestrukturen auch selbst vertreten zu können.
Inhaltliche Schwerpunkte
Zwischen den einzelnen Seniorenorganisationen gibt es vom gesellschaftspolitischen Hintergrund naturgemäß große Unterschiede; bei der Vertretung von Anliegen, die die ältere Generation betreffen, sind jedoch zahlreiche Übereinstimmungen zu orten. Das einzufordernde Recht der Selbstvertretung durch die ältere Generation, die Sicherung der Pensionen und die Integration mannigfaltiger Bereiche des Lebens wie Gesundheit, Wohnen, Kultur und soziale Einbindung sind die Anliegen aller untersuchten Organisationen. Allerdings konnte festgestellt werden, daß die Möglichkeiten der Durchsetzung sowie das Einsetzen von Instrumentarien erhebliche Unterschiede zwischen den Organisationen aufweisen.
Der Pensionistenverband und der Seniorenbund greifen bei der Durchsetzung der seniorenspezifischen Anliegen vorwiegend auf ihre Verbindung zu Spitzenpolitikern ihrer Parteien zurück, wohingegen der Seniorenring seine Stärke (5) über seine Mitglieder definiert. Dies hat zur Folge, daß die Arbeit des Seniorenringes einen starken partizipatorischen Ansatz hat. Die Mitglieder werden auf vielfältige Weise in die Arbeit der Standespolitik eingebunden.
Die Untersuchung zeigte zudem deutlich, daß die Inhalte einer Seniorenpolitik stark von den jeweiligen Führungspersönlichkeiten geprägt werden.
Mitsprachemodelle und ihre Umsetzung in allen untersuchten Organisationen, die älteren Frauen und Männern offen stehen
Mitwirkung:
Unter Mitwirkung versteht man die Nutzung von Freiräumen für öffentliche und politische Mitbetätigung, die von Dritten eingeräumt werden. Die Nutzung ist von personellen, situationsbezogenen und institutionellen Vorgaben abhängig, und die Entscheidungskompetenz Dritter kann dadurch beeinflußt werden. Die Arbeit der Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien ist vorwiegend als "Mitwirkung" zu charakterisieren und findet einerseits im Steirischen Seniorenbeirat statt, andererseits nutzen die Funktionäre der Seniorenorganisationen Parteistrukturen in diesem Sinne.
Sie berufen sich auf gute informelle Kontakte, die im Vorfeld von Verhandlungen genutzt werden können. Funktionäre, die in ihrer Aktivzeit zum überwiegenden Teil als politische Mandatare in ihren Parteien tätig waren, haben durch ihre Kenntnis der innerparteilichen Strukturen auch die Einführung des Bundes-Seniorengesetzes durchgesetzt. Sie sind jedoch durch ihre Nähe zu den regierenden Parteien auch abhängig von übergeordneten parteipolitischen Präferenzen. Dieser Umstand kann sich nachteilig für die ältere Bevölkerung auswirken. Als Beispiel sei der Antrag zur Einführung eines Landtages für Seniorenfragen angeführt, der von einigen Landtagsabgeordneten forciert wurde.
Die offiziellen VertreterInnen aller steirischen Seniorenorganisationen – des Steirischen Pensionistenverbandes, des Steirischen Seniorenbundes und des Steirischen Seniorenringes – haben in einer Sitzung des Steirischen Seniorenbeirates diesen Antrag mit dem Hinweis, daß ein Sonderlandtag für eine wahlberechtigte Personengruppe einer Diskriminierung gleichkommt, abgelehnt. Wobei anzumerken ist, daß die Mitglieder dieser Organisationen in dieser Causa weder informiert noch um ihre Meinung befragt worden sind. Diese Vorgangsweise belegt eindeutig, daß die Führungsschicht der Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien die Themenführerschaft übernimmt und die Mitglieder nicht in eine wirkungsvolle basisorientierte Mitsprache hinsichtlich gesellschaftlicher Prozesse eingebunden werden.
Der Steirische Seniorenring betont seine von der Mutterpartei ungebundene Vorgehensweise, was jedoch bei einer Partei, die auf Bundesebene nicht in die Regierungsverantwortung eingebunden ist, von nachrangiger Bedeutung ist. Allerdings wirkt sich dieser Umstand offensichtlich positiv auf die Landesorganisation in der Steiermark aus.
Selbstbestimmung:
Diese ist frei von externen Vorgaben Dritter und völlig autonom in der Regelung eigener Angelegenheiten. Entscheidungskompetenz ist gegeben. Ansätze finden sich bei künftig geplanten Aktivitäten der Seniorenorganisationen wie Besuchsdienste für Hochbetagte und ähnlichem. Initiativen von Organisationen, wie die der Steirischen Gesellschaft zur Förderung der Alterswissenschaften und des Seniorenstudiums an der Universität Graz (GEFAS Stmk.), des Grazer Seniorenbüros und anderer Organisationen, bei denen die Mitglieder die Themenführerschaft übernehmen, verwirklichen jedoch in größerem Ausmaß den Anspruch auf Selbstbestimmung.
Selbstorganisierte und selbstbestimmte Projekte:
Sie haben das Ziel und den Charakter der Selbsthilfe auf örtlicher Ebene und treten in der Regel nicht als öffentliche Vertretung älterer Menschen auf. Es geht dabei vorwiegend um die Bereiche Wohnen, Bildung, Gesundheit und Freizeit. Initiativen des Aktiven Lebensabends, des Grazer Seniorenbüros, der Plattform Frauen 50plus und anderer Einrichtungen, die in der Dissertation untersucht wurden, fallen in diese Sparte.
Teilhabe:
Unter Teilhabe subsumieren sich Modelle, die gemeinwesenorientiert sind und in erster Linie von den Interessen und Anliegen Betroffener selbst ausgehen und die Lebenswelt der Betroffenen widerspiegeln. Die Projekte der GEFAS Steiermark orientieren sich an den Lebenswelten älterer Frauen und Männer. In Zukunft könnten Initiativen älterer Menschen auf Gemeindeebene wegweisend sein. Der Steirische Seniorenring setzte mit seinem Projekt "konsumentenfreundliche Betriebe" gemeinwesenorientierte Akzente.
Produktivitätsprojekte:
Sie beinhalten die produktive Nutzung des Alters im Interesse der Allgemeinheit. Sie vereinen Elemente der Selbsthilfe und Ehrenamtlichkeit. Es handelt sich um Bereitstellung und Produktion von zumeist sozialen Gütern für Dritte, allerdings weitgehend außerhalb des erwerbswirtschaftlichen und marktmäßig bezahlten Sektors. Geplante Projekte der Seniorenorganisationen, wie selbstgestaltete Vortragsreihen als Reisevorbereitungen, gehören hier ebenso dazu wie SeniorInnen, die mit ihrem Erfahrungswissen hilfesuchenden SeniorInnen zur Verfügung stehen, oder die Mitarbeit Älterer in Schulen sind zukunftsweisende Solidaritätsprojekte.
Das Ambassador-System bei der Verbreitung von Computerwissen setzt auf ein Netzwerk älterer und jüngerer MitarbeiterInnen. (6)
Über eine starke Wahlbeteiligung können ältere Menschen in Zukunft aufgrund ihrer großen Zahl politische Entscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen. Diese Art der politischen Partizipation ist für alle älteren Bürger und Bürgerinnen unabhängig davon, ob sie einer Seniorenorganisation angehören oder nicht, sofern sie gesund sind und Interesse am politischen Geschehen haben, möglich. Dies birgt jedoch die Gefahr einer Dominanz der älteren Generation, die dazu führen könnte, daß es zu einer Ungleichgewichtung der Umverteilung finanzieller Ressourcen kommt.
Schlußfolgerungen
Seniorenorganisationen können auf zwei unterschiedlichen Ebenen hinsichtlich Partizipation Erfolge erzielen. So besteht einerseits für die Zukunft der Wunsch, daß gewählte ältere Mandatare auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene die Anliegen der älteren Generation vertreten sollten. Dadurch wird eine Seniorenpolitik für und durch SeniorInnen gewährleistet. Andererseits versprechen sich die Seniorenorganisationen von der bisherigen Praxis des politischen Lobbyismus für die ältere Generation innerhalb der vorgegebenen Parteistrukturen Effizienz und Erfolge.
Sofern sich SeniorInnen für ihre eigenen Belange selbst einsetzen und von ihren Seniorenorganisationen hinsichtlich spezifischer Information unterstützt werden, bietet sich ihnen ein weites Feld der Betätigung wie zum Beispiel bei der Planung von Siedlungen und Wohnprojekten an. Sie könnten auf behindertengerechte Einrichtung oder Sicherheitsaspekte Bedacht nehmen und sich dafür einsetzen, daß auch in Zukunft durch infrastrukturelle Gegebenheiten die Versorgung sehr alter Menschen gewährleistet ist.
Steirische Seniorenorganisationen und Einrichtungen für ältere Menschen, die aus einer aktuellen Bedarfssituation in den 90er Jahren entstanden sind und sich keiner politischen Partei zugehörig fühlen und/oder von diesen in irgendeiner Form abhängig sind, können die unterschiedlichsten Problemlagen der Lebenswelten der älteren Generation stärker artikulieren, haben jedoch hinsichtlich ihrer Position innerhalb des steirischen Gesellschaftssystems wenig Chancen, gehört zu werden. Sie machen jedoch darauf aufmerksam, daß derzeit vorhandene Mitsprachestrukturen überdacht werden sollten.
In den Seniorenorganisationen im Vorfeld der politischen Parteien ist in Ansätzen eine Trendumkehr, die eine breitangelegte Mitsprache der älteren Menschen zum Ziel hat, zu bemerken. In diesem Zusammenhang wäre es von Vorteil, wenn es in der Steiermark zu einer Öffnung (7) bzw. Erweiterung des Steirischen Seniorenbeirates käme, in dem zur Zeit nur die Obmänner und die geschäftsführenden Sekretäre des Steirischen Pensionistenverbandes, des Steirischen Seniorenbundes und des Steirischen Seniorenringes vertreten sind. Durch diese Öffnung wäre es den Führungskräften oben genannter Organisationen möglich, die Denk- und Auffassungsunterschiede zwischen der Basis, der sogenannten "schweigenden Mehrheit", und den Funktionären sowie den politischen Mandataren kennenzulernen. Dadurch könnten die Belange der älteren Generation im Sinne einer basisdemokratischen Arbeitsweise effizienter und umfassender vertreten werden. Der moderne Anspruch einer partizipatorischen Vertretung durch ältere Frauen und Männer wäre gewährleistet.
Da die heute älteren Generationen einen partizipatorischen Umgang mit Obrigkeit aufgrund ihrer zeitgeschichtlichen Lebenserfahrung eher nicht erfahren haben, könnten Bildungsangebote hinsichtlich eines Empowerments Mitsprachemöglichkeiten älterer Frauen und Männer stärken.
Das vom steirischen Arbeitskreis "Partizipation älterer Menschen an gesellschaftlichen Prozessen" entwickelte Modellprojekt beinhaltet einige Vorschläge für eine teilhabe- und teilnahmeorientierte Seniorenpolitik, die für eine bereits abzusehende Bevölkerungsveränderung hinsichtlich der Stärkung der Alterspopulation unabdingbar erscheint. Die konkreten Forderungen sind in den Bericht des Arbeitskreises IV eingearbeitet worden (siehe in diesem Band S. 415–424).
Die wissenschaftliche Untersuchung hat insgesamt aufgezeigt, daß es bundesweit und besonders in der Steiermark eine Fülle von Initiativen gibt, die die große Masse der älteren Bürgerinnen und Bürger zukünftig aktiv miteinbeziehen könnten. Es bedarf eines politischen Willens, tragfähige und in die Zukunft weisende Modelle nutzbringend für eine solidarische Gesellschaft einzusetzen.
Die vollständige Fassung der Arbeit liegt in der Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität auf und kann auch über das Büro der GEFAS, Karl-Franzens-Universität, 8010 Graz, Mozartgasse 14 a, bezogen werden.
1 | Im Rahmen des Projektes verfaßte Mag. Rosemarie Kurz eine Dissertation zum Thema „Chancen und Möglichkeiten gesellschaftspolitischer Partizipation älterer Frauen und Männer in steirischen Seniorenorganisationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Dieser Artikel ist ein Auszug aus dieser Studie. |
2 | Bevölkerungsdaten lt. Österr. Statistischem Auskunftsdienst, Faxinformation vom 27.4.99; Mitgliederdaten lt. mündlicher Auskunft vom Juni 1999. |
3 | BAHR – Leichsenring – Stümpel, Mitsprache älterer Menschen in Österreich, Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Wien 1996, S. 181. |
4 | o.N., Experteninterview, Graz, am 3.12.98. |
5 | MATZKA, Wir ziehen Bilanz 1996, in: Steir. Seniorenkurier (4). Graz 1996. S. 3. |
6 | Es handelt sich um ein „Tutoren-Ausbildungssystem“, bei dem Ältere ihr Wissen an Gleichaltrige weitergeben. |
7 | Der Landesseniorenbeirat in Vorarlberg hat durch ein breit angelegtes Mitgliederspektrum eine strukturelle Voraussetzung geschaffen, die oben angeführter Forderung entspricht. Da in der Steiermark die Seniorenorganisationen, die dem Seniorenbeirat angehören, mit einer Subvention bedacht werden und diese dann auch aufzuteilen wäre, könnte es zu erheblichen Widerständen kommen. Aus diesen Gründen hat der steirische AK IV an eine Einführung eines Altenforums gedacht. |