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Demographische Entwicklungstrends in der Steiermark und ihre Konsequenzen

Ökonomische und soziale Aspekte des demographischen Wandels

Jörg Schreyer

Der demographische Wandel zählt zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Aufgrund stark gesunkener Geburtenraten und steigender Lebenserwartung sind nahezu alle Industrieländer erstmals in ihrer Geschichte mit der langfristigen Perspektive einer schrumpfenden, immer älter werdenden Bevölkerung konfrontiert. Schon heute ist jeder fünfte Einwohner der Europäischen Union 60 Jahre und älter. In etwas mehr als 20 Jahren werden an die 40% der Menschen in der EU mindestens 50 Jahre alt sein, und bis 2050 wird sich der Anteil der über 60jährigen auf nahezu 35% der Gesamtbevölkerung erhöhen. (1) Auch wenn die Entwicklung in den einzelnen EU-Mitgliedsländern unterschiedlich verläuft, ist die Grundtendenz überall gleich: Immer mehr Menschen werden immer älter, während der Anteil der Kinder sinkt. Oft als "demographische Zeitenwende" (BIRG 1996) oder "Revolution auf leisen Sohlen" bezeichnet, wird dieses Phänomen tiefgreifende soziale, wirtschaftliche und politische Konsequenzen haben.

Für Österreich ist in den kommenden 30 Jahren nur mit geringfügigen Veränderungen der Bevölkerungszahl zu rechnen, danach mit einem sich allmählich verstärkenden Bevölkerungsrückgang. Dann wird die in den Prognosen angenommene jährliche Zuwanderung von 15.000 bis 20.000 Personen nicht mehr ausreichen, um die negative Geburtenbilanz auszugleichen. Regional wird die Bevölkerungsentwicklung allerdings sehr unterschiedlich verlaufen: Während die westlichen Bundesländer teilweise noch recht kräftige Zuwächse zu erwarten haben und Wien sowie Niederösterreich dank Zuwanderung mit einer Stabilisierung ihrer Bevölkerungszahl rechnen können, werden für das Burgenland, die Steiermark und Kärnten starke Rückgänge vorhergesagt (siehe Abb. 1).

Wesentlich schwerwiegender werden die tiefgreifenden Änderungen der Altersstruktur sein: Ab etwa 2005 wird die Zahl alter Menschen (2) drastisch ansteigen, jene der Jugendlichen sinken. Gleichzeitig wird auch das "Erwerbspotential" (= die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 59 Jahren) kontinuierlich sinken. Zunehmen wird vor allem der Anteil hochbetagter Menschen: Bereits um das Jahr 2010 wird jeder zehnte Österreicher über 75 Jahre alt sein.

Der Höhepunkt des Alterungsprozesses der Bevölkerung wird zwischen 2030 und 2040 erwartet – dann nämlich, wenn die "Baby-Boom-Generation" der 60er und frühen 70er Jahre in diese Altersgruppe hineinwächst. Bis dahin wird die Zahl der Senioren österreichweit auf nahezu 3 Mio. Personen (= über 30% der Bevölkerung) anwachsen. (HANIKA 1999)

Dieser Prozeß hat bereits jetzt zu einem "Strukturwandel des Alters" geführt (TEWS 1993, S. 23 ff), der durch folgende neue Phänomene gekennzeichnet ist:

  • "Verjüngung des Alters" und Herausbildung eines neuen, "dritten" Lebensabschnittes (zwischen dem Ende der Berufstätigkeit und etwa dem 75. Lebensjahr)
  • wachsende Feminisierung (aufgrund der höheren Lebenserwartung der Frau wird die sich entwickelnde Altersgesellschaft eine Zwei-Drittel-Frauengesellschaft sein, bei den über 75jährigen sogar eine Drei-Viertel-Frauengesellschaft)
  • eine zunehmende Singularisierung (die allerdings nicht nur bei der älteren Bevölkerung, sondern auch bei der jüngeren Generation zu beobachten ist).

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung haben die Menschen nach der Pensionierung durchschnittlich noch eine Lebenszeit, die ungefähr der Hälfte ihres Arbeitslebens entspricht! Durch das Öffnen der Schere zwischen steigender Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkendem Pensionsantrittsalter ist der Begriff des "dritten Lebensalters" entstanden, unter dem die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Bevölkerung zusammengefaßt wird (Lichtenberger 1997, S. 66). Aufgrund der Verbesserung der Lebensverhältnisse und des medizinischen Fortschritts bildet sich nun eine weitere Altersgruppe, die Bevölkerung über 75 Jahre, für die der Begriff des "vierten Lebensalters" verwendet wird, in dem das Eingebundenbleiben in die gesellschaftlichen Aktivitäten sich zunehmend als schwierig erweist und die Pflegebedürftigkeit wächst. Sie bildet die eigentliche Risikopopulation für die Hilfs- und insbesondere für die Pflegebedürftigkeit.

Durch die Verlängerung der Ruhestandszeit wird das Alter für eine wachsende Zahl von Menschen zu einem Lebensabschnitt, der im Unterschied zu früheren Generationen völlig neue Aktivitätsspielräume, Handlungschancen und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet (3) andererseits jedoch eine Vielzahl tiefgreifender sozialpolitischer und ökonomischer Konsequenzen zur Folge hat.

Gleichzeitig verändern sich auch die Familien- und Haushaltsstrukturen: Aufgrund des Geburtenrückgangs, hoher Scheidungsquoten und eines wachsenden Trends zum Single-Dasein (das sich u.a. in sinkender Heiratsneigung und einem steigenden Anteil von AlleinerzieherInnen manifestiert) nimmt auch die Zahl der Haushalte, insbesondere jener der Ein- und Zweipersonenhaushalte zu, während jene der Vier- und Mehrpersonenhaushalte sinkt.

Diese Entwicklung wird die Probleme der künftigen Altersgesellschaft noch verschärfen: Einerseits wird dadurch die Kinderbetreuung und -erziehung weiter erschwert (weil die berufstätigen Eltern bzw. AlleinerzieherInnen keine Unterstützung bei der Kinderbetreuung durch andere Familienmitglieder bekommen), andererseits wird eine wachsende Zahl alter Menschen im Falle der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit immer stärker von institutionalisierter Hilfe durch soziale Dienste abhängig. 

1 Problemstellung und Untersuchungsperspektiven

Wie bereits eingangs ausgeführt, ist Österreich – ähnlich wie die meisten entwickelten Industriestaaten – mit dem Phänomen des demographischen Wandels konfrontiert. Allerdings sagen demographische Durchschnittswerte für das gesamte Bundesgebiet wenig über die regionale Dynamik der Bevölkerungsentwicklung aus. Sie verdecken demographische Entwicklungen auf regionaler und kleinräumlicher Ebene, die zum Teil wesentlich dramatischere Ausmaße annehmen können.

Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung 1997–2050 nach Bundesländern (*)
(Mittlere Variante; 1997 = 100)

So zählt die Steiermark – neben dem Burgenland und Kärnten – zu jenen Bundesländern, die am stärksten vom demographischen Wandel betroffen sind. Während etwa die westlichen Bundesländer Vorarlberg, Tirol und Salzburg noch relativ kräftige Bevölkerungszuwächse verzeichnen werden und in Wien und Niederösterreich die Bevölkerungsstände im wesentlichen gleichbleiben dürften, sind in den südlichen Bundesländern starke Rückgänge zu erwarten (siehe Abb. 1).

Diese unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, daß Westösterreich noch relativ hohe Geburtsraten aufweist und in Wien und Niederösterreich die Geburtendefizite durch eine starke Zuwanderung wettgemacht werden, während hingegen die Steiermark, Kärnten und vor allem das Burgenland sowohl durch sinkende Geburtenraten als auch durch geringe Zuwanderungen gekennzeichnet sind.

Das eigentlich Beunruhigende dieser Entwicklung ist jedoch nicht sosehr das Schrumpfen der Bevölkerung als vielmehr das langfristige Altern der Bevölkerung in der Steiermark: Bis 2030 wird der Anteil der 60jährigen und älteren von heute 21% auf über 36% steigen, und in etwa 50 Jahren soll bereits nahezu die Hälfte der SteirerInnen (48%) der Gruppe der Senioren angehören. Vor allem in einzelnen Bezirken könnte dieser Alterungsprozeß dramatische Dimensionen annehmen.

Mindestens ebenso wichtig wie die Bevölkerungsentwicklung ist die zukünftige Entwicklung der (Privat-)Haushalte. Haushaltskennzahlen sind für viele Fragestellungen (wie z.B. den zukünftigen Wohnungsbedarf, den Energieverbrauch oder die Konsumnachfrage) wesentlich aussagekräftiger als bloße Bevölkerungszahlen. Auch die Haushalte sind starken Veränderungen unterworfen: Ähnlich wie im gesamten Bundesgebiet ist auch in der Steiermark seit Anfang der 70er Jahre eine Zunahme der Zahl der Haushalte und eine Tendenz zu Ein- und Zweipersonenhaushalten zu beobachten.

Das Aufzeigen der Dimensionen dieser demographischen Veränderungen und ihrer Konsequenzen für die Steiermark ist Gegenstand dieser Untersuchung.

Die Auswirkungen des demographischen Wandels betreffen nahezu alle Bereiche der Gesellschaft, vor allem die Systeme der sozialen Sicherung, aber auch die Wirtschaft (insbesondere die Entwicklung des zukünftigen Arbeitskräfteangebots) sowie die Verteilung des politischen Gewichts zwischen den Generationen, was wiederum massive Rückwirkungen auf die anderen Bereiche haben wird.

  • Sozialpolitisch virulent ist vor allem die Frage der Finanzierung der Pensionsversicherung, des Gesundheitswesens und der Altenhilfe. Sie könnte fundamentale Interessenkonflikte zwischen der jungen und der alten Generation auslösen. Dieses Problem betrifft übrigens die meisten europäischen Wohlfahrtsstaaten (4) und wird durch das sinkende Erwerbspotential und die hohe Arbeitslosigkeit noch verschärft.
  • In engem Zusammenhang damit stehen auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Sie betreffen nicht nur das zukünftige Erwerbspotential, sondern auch die durch den Wandel der Altersstruktur ausgelösten (sowohl quantitativen als auch qualitativen) Veränderungen der Konsumnachfrage und die von ihr induzierten Investitionen. Die demographische Entwicklung beeinflußt das Arbeitskräfteangebot und die Ausstattung mit Infrastruktur, aber auch die Standortqualität einer Region – und damit letztlich auch die regionale Wirtschaftsentwicklung.
  • Noch gravierender werden allerdings die durch den demographischen Wandels induzierten Veränderungen der Machtverhältnisse zwischen Alt und Jung sein, deren Auswirkungen sich heute noch gar nicht abschätzen lassen. Denn im Gegensatz zu Vergangenheit und Gegenwart werden Kinder und Jugendliche im 21. Jh. deutlich in der Minderheit sein. Schon in wenigen Jahren wird die Mehrheit der Wahlberechtigten über 50 Jahre alt sein. Dadurch wird es für die Jugend immer schwerer, ihre Interessen gegen die Mehrheit der Älteren durchzusetzen.

Doch das sind nicht die einzigen Konsequenzen der demographischen Entwicklung. Auch die Regional- und Siedlungspolitik, der Wohnungs- und Grundstücksmarkt, die Verkehrspolitik sowie andere Bereiche werden davon betroffen sein.

Im vorliegenden Beitrag sollen die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung in verkürzter Form präsentiert werden. (5)

2 Der demographische Wandel in der Steiermark

In Österreich werden Bevölkerungsprognosen (bis zum Jahr 2030) bzw. Modellrechnungen (bis 2050) jährlich vom Österreichischen Statistischen Zentralamt (ÖSTAT) erstellt. Unter Zugrundelegung unterschiedlicher Annahmen über Fertilität, Lebenserwartung, Binnen- und Außenwanderung werden verschiedene Szenarien durchgerechnet, um die Bandbreite möglicher Entwicklungen aufzuzeigen. Neun Varianten verknüpfen alle denkbaren Kombinationen aus je drei Fertilitäts- und Wanderungsannahmen (hoch, mittel, niedrig), wobei die Variante mit mittlerer Fertilität und mittlerer Wanderung die sog. "Haupt-" oder "mittlere Variante" (MV) darstellt. Diese beschreibt die aus heutiger Sicht der Experten wahrscheinlichste Entwicklung (HANIKA 1998).

Allerdings erstellt das ÖSTAT Bevölkerungsprognosen nur bis auf Bundesländer-Ebene. Solche – relativ groben – Durchschnittswerte verdecken jedoch demographische Entwicklungen auf kleinräumiger Ebene (politischer Bezirke bzw. NUTS-3-Gebietseinheiten), die zum Teil wesentlich dramatischere Ausmaße annehmen können.

Die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) hat deshalb das Institut für Demographie und das Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beauftragt, die zukünftige Bevölkerungsentwicklung auch für NUTS-3-Einheiten und politische Bezirke zu prognostizieren, um damit eine Grundlage für regional- und kommunalpolitische Planungen und Maßnahmen zu bekommen (ÖROK-Bevölkerungsprognose 1996). (6)

Ausgangspunkt für die ÖROK-Prognosen sind drei Hauptszenarien (Basisszenario, Wachstumsszenario und Stagnationsszenario), die ebenfalls auf der Kombination einzelner Entwicklungsvarianten der Binnenwanderung, Außenwanderung, Fertilität und Mortalität beruhen und wesentliche Entwicklungslinien modellieren und die mögliche Bandbreite der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung veranschaulichen sollen.

Die Bevölkerungsprognosen dienen auch als Grundlage für die langfristige Vorausschätzung der (Privat-)Haushalte und des Angebots an Arbeitskräften:

  • die zukünftige Entwicklung der Zahl und Struktur der Haushalte ergibt sich aus der prognostizierten Altersstruktur der Bevölkerung und den Vorausschätzungen der zukünftigen Haushaltsvorstandsquoten nach Alter und Geschlecht (siehe Kapitel 2.3);
  • die Berechnung des zukünftigen Arbeitskräfteangebots erfolgt ebenfalls unter Zugrundelegung der zukünftigen Altersstruktur sowie unterschiedlicher Annahmen über die Entwicklung der alters- und geschlechtsspezifischen Erwerbsquoten (siehe Kapitel 3.11).

Analog zu den Bevölkerungsprognosen zeigen die verschiedenen Varianten der Haushalts- und Erwerbstätigenprognosen alternative Entwicklungspfade auf, die sich einerseits aus der Bandbreite der Bevölkerungsszenarios und andererseits aus den Vorausschätzungen der zukünftigen Haushaltsvorstandsquoten bzw. den unterschiedlichen Annahmen über die Erwerbsneigung ergeben.

2.1 Bevölkerungsrückgang und zunehmende Alterung

Bis Anfang der 70er Jahre verzeichnete die Steiermark ein stetiges Bevölkerungswachstum auf knapp 1,2 Millionen Einwohner (VZ 1971). In den darauf folgenden 20 Jahren (bis 1991) war die Bevölkerungsentwicklung jedoch bereits leicht rückläufig. Obwohl es von 1981 bis 1991 noch einen geringfügigen Geburtenüberschuß von rund 0,4% gab, verlor die Steiermark im gleichen Zeitraum insgesamt 0,2% der Bevölkerung durch Abwanderung (v.a. aufgrund der problematischen Wirtschaftsentwicklung in den alten Industriegebieten der Obersteiermark und den südoststeirischen Randbezirken). Die Steiermark war damit das einzige österreichische Bundesland, das in diesem Zeitraum einen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hatte.

Anfang der 90er Jahre gab es erneut einen leichten Zuwachs (durch die verstärkte Zuwanderung von Ausländern), der 1996 mit rund 1,207.000 gemeldeten Einwohnern seinen historischen Höhepunkt erreichte. (7) Doch seit 1997 kann die Zuwanderung von Ausländern die seit 1971 rückläufigen Inländerzahlen nicht mehr wettmachen, sodaß die Bevölkerungsentwicklung nun offenbar in eine langfristige Abschwungphase übergeht.

War der Bevölkerungsrückgang Ende der 80er Jahre eine Folge der Abwanderung, ist er jetzt vor allem auf die niedrigen Geburtenraten zurückzuführen. Für die Vorhersage der zukünftigen Zahl der Kinder sind vor allem die Fertilitäts-, aber auch die Wanderungsannahmen der Bevölkerungsprognosen entscheidend. Die Variationsbreite der demographischen Komponenten ist jedoch – sieht man von Katastrophenszenarien ab – nicht sehr groß.

Die Geburtenrate ist bereits seit Anfang der 70er Jahre stark zurückgegangen: Kamen 1961 auf eine Frau im gebärfähigen Alter noch durchschnittlich drei Kinder (= Gesamtfertilitätsrate/GFR), sind es heute nur mehr 1,3 Lebendgeburten. Um den Bevölkerungsstand zu halten, wären aber durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau notwendig. Trotz der Annahme einer Stabilisierung der GFR auf dem gegenwärtigen Niveau bzw. sogar einem leichten Wiederanstieg werden auch die künftigen Geburtenzahlen deutlich unter dem derzeitigen Niveau liegen. Zu dieser Entwicklung hat auch die starke Abwanderung in den 80er Jahren beigetragen, die vor allem die jüngeren Jahrgänge betroffen hat. 

Abb. 2.11:Prognosevarianten der Bevölkerungsentwicklung in der Steiermark 1991–2021/2050

ÖROK-Bevölkerungsprognose Steiermark    
  1991–2021 (Werte in 1.000) Indexwerte (1991 = 100)    
  1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021 1991 1996 2001 2006 2011 2016 2021    
BS 1.185 1.210 1.202 1.189 1.171 1.151 1.127 100 102 101 100 99 97 95    
SS 1.185 1.210 1.195 1.171 1.141 1.107 1.071 100 102 101 99 96 93 90  

BS = Basisszenario, SS = Stagnationsszenario

ÖSTAT-Bevölkerungsprognose Steiermark
  1997–2050 (Werte in 1.000) Indexwerte (1991 = 100)
  1997 2001 2005 2010 2015 2020 2030 2050 1997 2001 2005 2010 2015 2020 2030 2050
NV 1.206 1.201 1.194 1.182 1.168 1.152 1.109 956 102 101 101 100 99 97 94 81
MV 1.206 1.203 1.194 1.182 1.170 1.157 1.121 983 102 102 101 100 99 98 95 83
HV 1.206 1.202 1.196 1.187 1.177 1.167 1.135 1.006 102 101 101 100 99 99 96 85

NV = Niedrige (Wanderungs-) Variante, MV = Mittlere (Wanderungs-) Variante, HV = Hohe Variante

 

Unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Tendenzen (= mittlere Variante) wird die steirische Bevölkerung bis 2050 auf einen Stand von etwa 983.000 Einwohnern (8) schrumpfen (HANIKA 1998). Gegenüber heute würde das einen Bevölkerungsrückgang von mehr als 18% bzw. 225.000 Einwohnern bedeuten (was etwa der Einwohnerzahl von Graz entspricht).

Diese Bevölkerungsschrumpfung kommt praktisch in allen Szenarien mehr oder weniger stark zum Ausdruck (Abb. 2.11): Selbst im Wachstumsszenario muß mit einem Rückgang von bis zu 200.000 SteirerInnen gerechnet werden. Die Ergebnisse der ÖROK-Prognosen (mit einem Prognosehorizont bis 2021) sind noch pessimistischer: Ihre Vorausschätzungen liegen alle unter jenen des ÖSTAT.

Die Unterschiede in den Ergebnissen der Bevölkerungsprognosen von ÖSTAT und ÖROK sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Vorausschätzungen des ÖSTAT auf etwas optimistischeren Annahmen über die Zunahme der Lebenserwartung basieren und den Berechnungen die Daten der Bevölkerungsfortschreibung und Wanderungsstatistik 1997 zugrundeliegen, während die ÖROK-Prognosen auf den (älteren) Ergebnissen der Volkszählung 1991 aufbauen.

Eine gute Vorstellung von der langfristigen (Eigen-)Dynamik der Bevölkerungsentwicklung gibt die Gegenüberstellung des Altersaufbaus der Bevölkerung für die Jahre 1910, 1991 und 2030 (Abb. 2.12): Aus der Bevölkerungspyramide des Jahres 1991 ist der starke Rückgang der Geburten seit Anfang der 70er Jahre ersichtlich. Die Geburtenzahlen liegen in der Folge deutlich unter dem Reproduktionsniveau, sodaß nun zahlenmäßig immer schwächere Jahrgänge die neuen Elterngenerationen bilden – und damit auch die Zahl der potentiellen Mütter sinkt. Die sinkenden Kinderzahlen der Zukunft sind durch den Geburtenrückgang der Vergangenheit also gleichsam "vorprogrammiert".

Abb. 2.12: Veränderung der Altersstruktur der Wohnbevölkerung 1910/1991/2030

 

Diese Entwicklung ist auch durch eine stärkere Zuwanderung aus dem Ausland nicht aufzuhalten. Mit Ausnahme von Graz (mit einer Ausländerquote von rund 10%) ist der Anteil der Ausländer im Vergleich zu anderen Bundesländern gering: Er beträgt in der Steiermark zur Zeit nur 4,8% (Österreich-Durchschnitt: 9,1%). Auch in den kommenden Jahren dürfte die Steiermark als Zuwanderungsziel kaum besonders attraktiv sein. (9) Aus diesen Gründen muß die Steiermark daher auch in Zukunft mit einer weiter sinkenden Bevölkerungszahl rechnen.

Im Unterschied etwa zu Wirtschaftsprognosen sind demographische Prognosen auch für einen Prognosezeitraum von mehreren Jahrzehnten vergleichsweise gut abgesichert, weil die Bevölkerungsentwicklung eine relativ große "Trägheit" aufweist. Das ist darauf zurückzuführen, daß ein großer Teil der für das Jahr 2030 prognostizierten Bevölkerung bereits lebt. Insbesondere für die Zahl älterer Menschen spielen daher nur die Mortalitätsannahmen eine Rolle. Die Wanderungen kann man wegen ihrer geringeren Quantität in diesem Altersbereich praktisch vernachlässigen.

Steigende Lebenserwartung und sinkende Kinderzahlen

Wesentlich schwerwiegender als der Bevölkerungsrückgang sind die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung. Bis 1996 wurde die schon seit Anfang der 70er Jahre unter dem Reproduktionsniveau liegende Geburtenrate durch die steigende Lebenserwartung und die – im Österreich-Vergleich allerdings geringe – Zuwanderung von Ausländern kompensiert.

Der Preis dafür ist eine zunehmende Alterung der Bevölkerung (siehe Abb. 2.13): Schon in knapp 10 Jahren wird der Anteil der über 60jährigen von heute 21% auf etwa 25% steigen und dann rasch die 30%-Marke überschreiten. Im Jahre 2030 dürfte mindestens jeder dritte Steirer (36,5%) über 60 Jahre alt sein. Der Höhepunkt der Alterungswelle ist laut ÖSTAT-Prognose in der Steiermark zwischen 2030 und 2035 zu erwarten, dann werden mehr als 40% der SteirerInnen diese Altersgrenze überschreiten (HANIKA 1998 – mittlere Variante). Die Steiermark wird damit – nach dem Burgenland und etwa gleich wie Kärnten – zu den Bundesländern mit den höchsten Anteilen an alten Menschen zählen. (10) Die Ergebnisse der verschiedenen Prognosevarianten unterscheiden sich dabei nur wenig.

Abb. 2.13: Indexierte Entwicklung der steirischen Bevölkerung sowie der über 60jährigen und der über 75jährigen 1991–2050 (1991 = 100)

 

 

Entwicklung der steirischen Bevölkerung 1991–2050 (mittlere Variante in Tausend bzw. 1991 = 100)

  (Werte in 1.000) Indexwerte (1991 = 100)
  1991 1996 2000 2010 2020 2030 2040 2050 1991 1996 2000 2010 2020 2030 2040 2050
60+ 244 261 262 292 336 409 421 400 100 107 107 120 138 168 173 164
75+ 80 78 91 106 124 142 189 208 100 98 114 133 155 178 236 260
Ges.Bev. 1185 1207 1202 1182 1157 1121 1062 983 100 102 101 100 98 95 90 83

Quelle: HANIKA 1998

Vor allem der Anteil der über 75jährigen ("Alte Senioren") wird stark zunehmen: Während in der Steiermark heute rund 81.500 Personen älter als 75 Jahre sind, werden es 2020 bereits 124.000 und in etwas mehr als 30 Jahren 142.000 Menschen sein (HANIKA 1998). Die Zahl "alter Senioren" wird damit bis 2030 gegenüber heute um 75% zunehmen, ihr relativer Anteil an der Bevölkerung wird sich jedoch mehr als verdoppeln! Diese Altersgruppe ist vor allem deshalb relevant, weil sie die eigentliche Risikopopulation für die Hilfs- und Pflegebedürftigkeit darstellt.

 

Zu dieser Entwicklung beigetragen hat – ähnlich wie in den meisten Industriestaaten – eine gegenüber der Vergangenheit historisch einmalige Zunahme der Lebenserwartung: Lag um 1870 das Durchschnittsalter der Menschen bei etwas mehr als 40 Jahren und die Wahrscheinlichkeit, ein Alter von 60 Jahren zu erreichen, bloß bei rund 30%, erreichen zur Zeit durchschnittlich 90% aller Neugeborenen dieses Alter (HANIKA 1999, S. 86). Heute hat ein 60jähriger Mann sogar noch eine weitere durchschnittliche Lebenserwartung von 19 Jahren, eine 60jährige Frau von 23 Jahren. Und auch für die Zukunft wird eine weiter steigende Lebenserwartung angenommen.

Für den demographischen Alterungsprozeß entscheidend ist jedoch nicht so sehr die steigende Lebenserwartung als vor allem der Rückgang der Geburtenzahlen: Bereits in den 70er und 80er Jahren ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen stark zurückgegangen. Trotz eines leichten Wiederanstiegs der Geburtenrate seit Mitte der 80er Jahre blieb die Nettoreproduktionsrate (NRR) (11) so gering (1997 betrug sie 0,63 (12) ), daß die derzeitige Müttergeneration in der Steiermark durch ihre Töchter nur zu knapp zwei Drittel ersetzt wird.

Und dieser Trend wird sich auch in den kommenden 30 Jahren fortsetzen: der Anteil der unter 15jährigen wird von heute 17% auf etwa 12% sinken, bis 2050 gar auf 11%. Im Vergleich zum Beginn dieses Jahrhunderts wird es dadurch zu einer Umkehrung der Kinder-Senioren-Relation kommen: Lebten um 1900 dreimal soviel Kinder wie alte Menschen, wird um 2030 der Anteil alter Menschen dreimal so groß sein wie jener der Kinder!

    Auch wenn die Prognose der Altersgruppe der Jungen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist (da für sie die Annahmen über die zukünftige Fertilität und Wanderung entscheidend sind), ist kaum anzunehmen, daß die Fertilität wesentlich über das gegenwärtige Niveau steigen wird. Und auch eine mögliche Zuwanderung kann diesen Prozeß allenfalls bremsen, nicht aber stoppen.

Davon ist auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15–60 Jahre) betroffen: Ihr Anteil wird bis etwa 2010 noch leicht steigen, dann aber rasch sinken. Dabei wird der Anteil älterer Erwerbstätiger deutlich zunehmen, während jener der Berufsanfänger zurückgeht (siehe dazu Kapitel 3.1).

 

Durch diese Entwicklung werden sich aber auch die demographischen Belastungen fundamental ändern. Gegenwärtig befinden wir uns noch in einer "demographischen Atempause". Die Gesamtbelastungsquote hat zur Zeit den niedrigsten Wert in diesem Jahrhundert, da die Baby-Boom-Generationen der frühen 40er und 60er Jahre zur Zeit (noch) im erwerbsfähigen Alter stehen, die nachfolgenden Geburtenjahrgänge schwach besetzt sind und die Altenquote noch gering ist (aufgrund der Geburtenausfälle im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 1929/1934 und der Gefallenen des Zweiten Weltkrieges). Doch schon in wenigen Jahren werden die starken Geburtenjahrgänge der 40er Jahre ins Pensionsalter kommen und damit auch die Diskussionen um die Sicherung unseres Sozialsystems wieder zunehmen.

2.2 Die regionale Bevölkerungsdynamik

Regional lassen sich starke Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung beobachten, die vor allem durch charakteristische Migrationsbewegungen bedingt sind. Diese sind gekennzeichnet durch Wanderungsströme von der Peripherie in die größeren Städte bzw. von den Zentren in das Umland (Phänomen der Suburbanisierung). Dadurch ergeben sich auch je nach Region unterschiedliche Problemlagen. Unter demographischen (und auch soziokulturellen) Gesichtspunkten lassen sich danach in der Steiermark folgende vier Großregionen unterscheiden (13):

  • der "Großraum Graz" (Graz und Graz-Umgebung)
  • die "alten Industriegebiete der Ober- und Weststeiermark" (= Judenburg, Knittelfeld, Leoben, Bruck und Mürzzuschlag und Voitsberg)
  • die "inneralpinen Bezirke" (Liezen und Murau)
  • die "süd- und südoststeirischen Randgebiete" (Feldbach, Fürstenfeld, Hartberg, Weiz, Radkersburg, Leibnitz und Deutschlandsberg).

Mit Ausnahme des Großraums Graz müssen alle Regionen der Steiermark mit mehr oder weniger starken Bevölkerungsrückgängen rechnen (siehe Tabelle 2.2). Lediglich der Bezirk Graz-Umgebung weist – als Folge einer ausgeprägten Suburbanisierung – ein deutliches Bevölkerungswachstum auf (während auch in der Landeshauptstadt selbst die Bevölkerungszahl stagniert bzw. langfristig schrumpfen wird).

Vor allem in den alten Industriegebieten der Ober- und Weststeiermark könnte der demographische Wandel dramatische Ausmaße annehmen: Insbesondere in den traditionellen Abwanderungsbezirken Leoben, Bruck/Mur und Mürzzuschlag werden weitere Bevölkerungsverluste und eine starke Alterung der Bevölkerung erwartet. Der Bevölkerungsrückgang setzte hier bereits in den 70er Jahren ein, als in den Betrieben der Verstaatlichten Industrie zunehmend Arbeitsplätze abgebaut wurden.

Ebenfalls zurückgehen wird die Bevölkerungszahl in den inneralpinen Bezirken Liezen und Murau. Obwohl beide Bezirke in den vergangenen Jahrzehnten hohe Geburtenüberschüsse aufwiesen, stagniert hier die Bevölkerung aufgrund stark negativer Wanderungsbilanzen (Murau hatte im Zeitraum 1961–1991 die stärkste Abwanderung aller steirischen Bezirke zu verzeichnen!).

Etwas ausgeglichener dürfte die Bevölkerungsentwicklung in den agrarisch dominierten Bezirken der Süd- und Oststeiermark verlaufen. Vor allem in den Bezirken Hartberg, Feldbach und Leibnitz hat der ausgeprägte Geburtenüberschuß trotz Abwanderung zu einem Bevölkerungswachstum geführt. In Zukunft muß aber auch hier mit Bevölkerungsrückgängen gerechnet werden.

Tab. 2.2: Regionale Veränderungsraten der Bevölkerung in der Steiermark 1951 –2021 nach politischen Bezirken (in %)

 1951-19611961-19711971-19811981-19911991-20012001-20112011-2021
Graz-Stadt4,75,1-2,4-2,21,9-2,8-3,1
Graz-Umgebung8,013,06,511,014,27,74,3
Bruck/Mur4,26,7-3,4-5,0-4,7-9,4-11,0
Judenburg5,02,4-2,7-4,8-6,6-10,0-11,9
Knittelfeld2,14,51,9-1,9-2,1-5,8-7,3
Leoben1,61,8-7,2-8,9-10,5-14,1-16,0
Mürzzuschlag5,72,8-4,8-3,4-1,2-5,1-6,2
Voitsberg3,82,3-2,0-2,2-3,3-5,7-7,1
Liezen4,17,50,91,31,8-2,6-4,2
Murau-0,21,4-1,3-0,5-1,7-5,6-7,3
Deutschlandsberg-2,33,20,81,83,60,2-1,3
Feldbach-0,63,31,01,21,2-1,8-3,4
Fürstenfeld-3,66,1-0,30,11,4-2,1-3,3
Hartberg2,96,52,53,14,2-0,7-2,3
Leibnitz-4,04,20,32,74,30,2-1,5
Radkersburg-7,91,9-2,4-3,4-1,0-4,5-5,4
Weiz3,55,51,93,43,70,0-1,6
Steiermark2,65,0-0,7-0,21,4-2,5-3,8
Österreich2,05,90,93,24,71,50,5

Quelle: ÖSTAT (VZ-Ergebnisse); ÖROK (1996); Regionalstatistik Steiermark 1998

 

2.3 Weitere Zunahme der Ein- und Zweipersonen-Haushalte

Größe, Alters- und Geschlechtsstruktur der Bevölkerung bestimmen auch die Bildung und die Größenstruktur der (Privat-)Haushalte (14). Haushaltskennzahlen sind für viele Fragestellungen wesentlich aussagekräftiger als bloße Bevölkerungszahlen. Die Zahl und Größenordnung der Haushalte hat vor allem Auswirkungen:

  • auf den Bedarf an Wohnungen und bestimmten Wohnungsgrößen – und damit indirekt auch auf den Siedlungsflächenverbrauch und die Siedlungsstruktur;
  • auf den Energieverbrauch und den Bedarf an technischer Infrastruktur (Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung etc.), die ja primär nicht von Einzelpersonen, sondern von den Haushalten nachgefragt wird;
  • auf die Höhe der Konsumnachfrage und ihre Zusammensetzung (und damit indirekt auch auf die Entwicklung der Investitionen);
  • auf die Ausprägung und die Standorte haushaltsbezogener Dienstleistungen (durch das unterschiedliche Nachfrageverhalten der verschiedenen Haushaltsgrößen);
  • auf den Bedarf an Naherholungsmöglichkeiten (die ebenfalls von den einzelnen Haushaltstypen unterschiedlich nachgefragt werden);
  • auf Art und Umfang der Verkehrspartizipation.

Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung der Haushalte auch für die Abschätzung des privaten Hilfs- und Pflegepotentials und die Organisation des Pflegewesens zu (siehe Kapitel 3.2). Insbesondere bei der Planung ambulanter Dienste (Hauskrankenpflege, Alten- und Pflegehilfe sowie Heimhilfe) sollte daher nicht nur von der Anzahl alter Menschen in einer Region ausgegangen werden, sondern auch der jeweilige Anteil der Einpersonen-Haushalte stärker Berücksichtigung finden.

In der Steiermark ist seit Anfang der 70er Jahre – ähnlich wie im gesamten Bundesgebiet – eine Zunahme der Zahl der Haushalte und eine starke Tendenz zu immer kleineren Haushalten zu beobachten: Trotz stagnierender bzw. sinkender Bevölkerungszahlen ergab sich zwischen 1971 und 1991 ein Anstieg der Zahl der Haushalte um rund 20%. Gleichzeitig sank die Haushaltsgröße: 1971 umfaßte ein durchschnittlicher Haushalt noch 3,3 Personen (Österreich: 2,9), bis 1991 sank dieser Wert auf 2,7 Personen (Österreich: 2,5). Vor allem der Anteil der Ein- und der Zweipersonenhaushalte ist stark gestiegen, während Haushalte mit mehr als drei Mitgliedern seltener wurden.

Hauptursachen für diese Entwicklung sind der Geburtenrückgang, die Zunahme der Scheidungen und der wachsende Anteil von AlleinerzieherInnen, aber auch das Verschwinden von komplexen Haushaltstypen. Drei-Generationen-Haushalte oder Haushalte, die neben der Kernfamilie im engeren Sinne noch alleinstehende Verwandte, Hauspersonal oder Gesinde beherbergen, sind selten geworden. Fast 90% aller Privathaushalte sind heute "Kernfamilien ohne weitere Personen" oder Einpersonen-Haushalte (ÖROK-Haushaltsprognose 1998, S. 33). Die Erosion der agrarischen Familienbetriebe und der traditionellen Handwerksbetriebe führte zum Verschwinden großer, ökonomisch bedingter Haushalte, die neben der Kernfamilie noch Knechte, Mägde, Gesellen und Lehrlinge beherbergten.

Abb. 2.3: Veränderung der Haushaltsgrößen in der Steiermark im Zeitraum 1991–2030

Quelle: HANIKA (1998 b)

Und diese Tendenzen werden weiter anhalten (siehe Abb. 2.3): Auch wenn die Zunahme der Ein- und Zweipersonen-Haushalte in der Steiermark seinen (vorläufigen) Höhepunkt bereits in den 80er und frühen 90er Jahren erreicht hat und in den kommenden 15 Jahren weniger stark wachsen dürfte als in anderen Bundesländern, wird bis 2030 die Zahl der Einpersonen-Haushalte gegenüber 1991 um 41% zunehmen, jene der Zweipersonen-Haushalte um nahezu die Hälfte (plus 49%), während die Zahl der Mehrpersonen-Haushalte drastisch zurückgeht (HANIKA 1998b).

In Einpersonen-Haushalten leben in der Steiermark heute rund 120.000 Menschen. Vor allem mit zunehmendem Alter steigt der Anteil alleinlebender Menschen. Besonders auffallend dabei ist der hohe Anteil älterer Frauen: Mehr als 36.000 Single-Haushalte werden von 60jährigen und älteren Frauen gebildet, während nur 6.700 ältere Männer allein leben. Bis 2030 wird sich das Bild insofern wandeln, als sich die Anzahl männlicher Einpersonen-Haushalte mehr als verdoppeln wird (auf 16.600), während die Zahl weiblicher Single-Haushalte "nur" um ein Drittel (auf 47.600) zunehmen dürfte (HANIKA 1998 b).

Regional zeigen sich in den einzelnen Bezirken beträchtliche Unterschiede bei der Zahl und Größe der Haushalte. Sie lassen sich vor allem durch den Urbanisierungs- bzw. Industrialisierungsgrad einer Region erklären: So hat die Landeshauptstadt Graz den mit Abstand höchsten Anteil an Ein- und Zweipersonen-Haushalten. Sie machen mehr als zwei Drittel aller Haushaltsformen aus (Einpersonen-Haushalte: 37%, Zweipersonen-Haushalte: 31%). Ähnliches, wenn auch in schwächerem Ausmaß, gilt für die Industriebezirke der Obersteiermark (Leoben und Bruck/Mur) und den Bezirk Voitsberg.

Bis 2021 werden hier nur geringe Haushaltszunahmen oder sogar rückläufige Haushaltszahlen (insbesondere in Leoben!) prognostiziert, weil diese Regionen den Schrumpfungsprozeß bereits weitgehend hinter sich haben (ÖROK 1998).

Die im Durchschnitt größten Haushalte finden sich heute noch in den peripheren Bezirken mit hohem Agraranteil wie in Murau und in der Oststeiermark (Hartberg, Weiz, Fürstenfeld, Radkersburg). Über dem Bundesdurchschnitt liegen auch die Bezirke im Einzugsbereich der Landeshauptstadt (wie etwa Leibnitz). In diesen Gebieten wird in Zukunft die Zahl der Haushalte auch am stärksten zunehmen.

 

3 Konsequenzen des demographischen Wandels

Die demographische Entwicklung wird zunächst zu einer weiteren Reduzierung der Bevölkerungsdichte in den inneralpinen Bezirken (Liezen und Murau) sowie zu einer zunehmenden Konzentration alter Menschen in bestimmten Regionen führen (insbesondere in der Stadt Graz und in der Mur-Mürz-Furche). Im Umland der größeren Städte (vor allem im Bezirk Graz-Umgebung) kommt es dagegen zu einem steigenden Siedlungsflächenverbrauch, der u.a. die Wohnungs- und Grundstückspreise nach oben treiben wird. Unmittelbar von der Bevölkerungsentwicklung betroffen ist auch das zukünftige Arbeitskräfteangebot, wodurch die bereits bestehenden regionalen Ungleichgewichte auf der Angebots- und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes noch zunehmen werden.

Die regional unterschiedliche Bevölkerungsdynamik hat aber nicht nur Einfluß auf die Siedlungsentwicklung, den Wohnungs- und Grundstücksmarkt und das zukünftige Arbeitskräfteangebot, sondern ebenso auf die Verkehrspolitik, den Kultur- und Freizeitsektor und andere Bereiche. Auch die regionale Ausstattung mit Infrastruktur ist vom demographischen Wandel betroffen: In den Abwanderungsgebieten wird es zu einer Unterauslastung und in Zuwanderungsgebieten zu einem Ausbaubedarf bei den bestehenden Einrichtungen der sozialen (Bildung, Gesundheit, Altenhilfe) und der technischen Infrastruktur (Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energieversorgung, Verkehrserschließung etc.) kommen.

Vom demographischen Wandel betroffen sind aber auch das Pensionsversicherungssystem, die Wirtschaft, das Gesundheitswesen und insbesondere die Altenhilfe sowie die Politik, wobei besonders die Interdependenzen zwischen diesen Bereichen Beachtung verdienen.

 

3.1 Ökonomische Konsequenzen

Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Wirtschaft sind vielfältig und schwer einzuschätzen. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung liegt in der enormen Komplexität, denn die Bevölkerung ist sowohl Konsument und Produzent als auch Sparer und Investor.    

Die Bevölkerungsentwicklung beeinflußt unmittelbar

  • Größe und Altersstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung (des "Erwerbspotentials" (15) )
  • die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen (Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsleistungen)
  • sowie Niveau und Struktur der privaten Konsum- und Investitionsnachfrage.

3.1.1 Die erwerbsfähige Bevölkerung schrumpft und wird älter

Der Geburtenrückgang hat zunächst unmittelbare Auswirkungen auf das Erwerbspotential. Das zukünftige Arbeitskräfteangebot läßt sich aus der Stärke der Jahrgänge im erwerbsfähigen Alter und der alters- und geschlechtsspezifischen Erwerbsneigung (definiert durch die sog. Erwerbsquoten (16)) ableiten. (17) Auch hier liegen Vorausschätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (auf Basis der ÖSTAT-Bevölkerungsprognosen) und regionalisierte Erwerbstätigenprognosen der ÖROK vor.

  • Die demographische Entwicklung am Arbeitsmarkt wird vor allem von der Baby-Boom-Generation und dem darauffolgenden Geburtenrückgang geprägt. Die starken Jahrgänge der späten 50er und frühen 60er Jahre zählen derzeit noch zu den jüngeren Erwerbspersonen (35 bis 45 Jahre), doch in etwa 20 Jahren werden auch sie das – zumindest nach derzeitiger Gesetzeslage geltende – Pensionsalter (65 Jahre für Männer, 60 Jahre für Frauen) erreicht haben. Analog zur Bevölkerungsentwicklung kommt es dadurch auch beim Erwerbspotential zu einer sukzessiven Verringerung der jüngeren Altersgruppen, während der Anteil der älteren zunehmen wird.
  • Die Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Erwerbsneigung erfolgt durch eine Analyse der Erwerbsquoten in der Vergangenheit und durch die Berücksichtigung aktueller gesellschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitischer Strömungen (wie z.B. die Erschwerung des frühzeitigen Pensionsantritts):

Die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung ist schon seit Jahren durch unterschiedliche, zum Teil gegenläufige Trends gekennzeichnet: einerseits durch eine Zunahme der weiblichen Erwerbsquote, andererseits durch einen Rückgang der männlichen Erwerbsneigung. Bei den jüngeren Altersgruppen sind dafür ein verstärkter Schulbesuch und eine längere Ausbildung, bei den Älteren die vorgezogenen Übertritte in den Ruhestand verantwortlich (als "biographische Verkürzung des Erwerbslebens" bezeichnet). (18)

Diese Trends gelten auch für Frauen, obwohl deren Erwerbsquote insgesamt anstieg. Verantwortlich dafür ist die Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit in den mittleren Altersgruppen, die vor allem auf eine gestiegene Bildungsbeteiligung und die Notwendigkeit wirtschaftlicher Absicherung, aber nicht zuletzt auch auf den Rückgang der Fertilität zurückzuführen ist.

Die Annahmen über die zukünftige Entwicklung der Erwerbsquoten orientieren sich im wesentlichen an den Prognosemodellen von EUROSTAT (dem Statistischen Amt der Europäischen Union), denen folgende Erwartungen zugrunde liegen:

  • fortschreitende Auflösung "traditioneller" Verhaltens- und Verlaufsmuster in den Lebensbiographien und Beschäftigungsverläufen;
  • zunehmende Bedeutung konsumorientierter Lebensstile;
  • Wandel der Industriegesellschaft in Richtung Dienstleistungsgesellschaft;
  • eine weiter zunehmende Erwerbsneigung der Frauen (die vor allem in der steigenden Notwendigkeit eigenständiger wirtschaftlicher Absicherung begründet ist).

Basierend auf diesen Grundannahmen wurden von EUROSTAT u.a. auch für Österreich zwei Szenarien berechnet: eine niedrige Erwerbsquotenvariante (Weiterführung der Trends der 80er Jahre) und eine hohe (Annäherung an das EU-Niveau). Diese Szenarien bildeten die Grundlage für eine mittlere Prognosevariante des WIFO (BIFFL/HANIKA 1998).

In der Steiermark ist bereits Anfang der 90er Jahre die Zahl der Erwerbspersonen gesunken, hat aber seither wieder zugenommen und dürfte auch in den kommenden Jahren noch leicht steigen. Der Höchststand dürfte zwischen 2005 und 2010 erreicht sein und mit rund 532.000 Erwerbspersonen etwa um 2% höher sein als heute. Ab dann wird die Zahl der Erwerbspersonen jedoch neuerlich sinken (selbst im Wachstumsszenario): Bis 2030 dürfte das Erwerbspotential gegenüber heute um etwa 100.000 Personen abnehmen (mittlere Variante). Damit wird die Steiermark (nach dem Burgenland) mit einem Minus von 17% den zweitstärksten Rückgang an Erwerbstätigen in Österreich aufweisen (siehe Abb. 3.11). Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Arbeitskräfte.

Mit Ausnahme des Bezirks Graz-Umgebung ist dabei praktisch in allen Bezirken mit einem mehr oder weniger starken Rückgang des Arbeitskräfteangebots zu rechnen. Bis 2021 könnte es insbesondere in den Bezirken Leoben, Judenburg, Bruck/Mur und Voitsberg gegenüber 1991 zu einem Schrumpfen des Erwerbspotentials um ein Drittel bis zur Hälfte (Leoben) kommen.

Dieser Rückgang der Zahl der Erwerbspersonen wird von einem tiefgreifenden Wandel der Wirtschaftsstruktur und der Beschäftigungsverhältnisse begleitet: Während sowohl in der Land- und Forstwirtschaft als auch in Industrie und Gewerbe weitere Arbeitsplätze verlorengehen, expandiert der Dienstleistungsbereich. Dieser Zuwachs im tertiären Sektor wird vor allem im privaten Bereich erfolgen, das Arbeitsplatzangebot im öffentlichen Dienst hingegen aus budgetären Gründen stagnieren.

Die Expansion des privaten Dienstleistungssektors wird zwar neue Beschäftigungschancen bringen, geht jedoch mit einer anhaltenden "Erosion der Normalarbeitsverhältnisse" mit neuen, sog. "atypischen Beschäftigungsformen" einher. Dazu zählen die "neuen Selbständigen" und die "geringfügig Beschäftigten" ebenso wie befristet Beschäftigte, Leiharbeiter und Kurzarbeiter. Diese Entwicklung bedeutet aber nicht nur für immer mehr Erwerbstätige eine Verschlechterung ihrer sozialen Absicherung – sondern auch für die Sozialversicherungsträger eine langfristige Erosion ihrer finanziellen Basis (die zunehmende Job-Unsicherheit dürfte im übrigen auch nicht gerade dazu beitragen, den Wunsch nach Kindern zu steigern).

Abb. 3.11: Prognosevarianten der zukünftigen Entwicklung der Erwerbspersonen 1991–2021/2030

ÖSTAT- und ÖROK Prognosen der Erwerbspersonen in der Steiermark 1991–2021/2030 (in Tausend bzw. Index 1991 = 100)

  (Werte in 1.000) Indexwerte (1991 = 100)
  1991 1001 2006 2011 2016 2021 2030 1991 1001 2006 2011 2016 2021 2030
ÖSTAT-MV 533 530 532 531 522 500 433 100 99 100 100 98 94 81
ÖROK-T* 533 528 522 507 486 457   100 99 98 95 91 86  
ÖROK-SQ** 533 522 514 499 476 444   100 98 96 94 89 83  

* ÖROK-Trendvariante
** ÖROK-Status-quo-Variante

Quellen: HANIKA 1998c ; ÖROK 1996

3.1.2 Steigende Nachfrage nach öffentlichen Leistungen

Unmittelbar vom Alterungsprozeß betroffen ist auch der den privaten Haushalten zurechenbare öffentliche Konsum (19). Er steht an der Schnittstelle zu den sozialpolitischen Effekten der Bevölkerungsentwicklung. Beim öffentlichen Konsum handelt es sich um Leistungen, die von der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträgern etc.) den privaten Haushalten ohne spezifisches Entgelt zur Verfügung gestellt werden, wie vor allem Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsleistungen.

Während nun das Erwerbspotential langfristig sinkt, nimmt – aufgrund der wachsenden Zahl alter Menschen – die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen zu. Dabei wird vor allem die Nachfrage nach Pensions- und Sozialleistungen steigen, während der demographische Druck auf das Ausbildungs- und Erziehungssystem zurückgehen wird. Mit der Zunahme der Sozial- und Gesundheitsausgaben ist ab etwa 2015 zu rechnen.

Die Frage der Finanzierung der öffentlichen Leistungen dürfte wohl das größte Konfliktpotential im Gefolge des demographischen Wandels darstellen. Eine grobe Vorstellung über die zukünftige Entwicklung der daraus resultierenden Belastungen für die erwerbstätige Bevölkerung geben auch die "demographischen Belastungsquoten".

3.1.3 Demographische Entwicklung und Arbeitsproduktivität

Für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (und damit auch für die Finanzierung der öffentlichen Leistungen) entscheidend ist aber nicht sosehr die zahlenmäßige Entwicklung der Erwerbstätigen, sondern vor allem die Höhe der Arbeitsproduktivität. Diese ist abhängig vom Kapitaleinsatz, vom technischen Fortschritt und der Quantität und Qualität des eingesetzten Humankapitals. Auch die Produktion technischen Wissens hängt - neben dem allgemeinen Ausbildungsniveau, dem erreichten Stand des technischen Wissens und den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung – nicht zuletzt von demographischen Faktoren ab (da eine jüngere Bevölkerung tendenziell innovativer ist als eine ältere).

Wenn der Ausfall an jugendlichen Nachwuchskräften aufgrund des zu erwartenden Geburtenrückgangs durch höhere Produktivität aufgewogen oder zumindest teilweise kompensiert werden soll, sind daher vermehrte Qualifikationsanstrengungen und höhere Kapitalinvestitionen notwendig. Auch die zunehmende berufliche Ausgrenzung älterer Personen kann nur dann verhindert werden, wenn stärker als bisher Qualifizierungsprozesse in die gesamte Erwerbsbiographie einbezogen werden und – unterstützt durch entsprechende arbeitsorganisatorische und zeitliche Rahmenbedingungen – im Sinne von "lebenslangem Lernen" systematisch den Arbeitsprozeß und die gesamte Erwerbsbiographie bestimmen. (20) Gegenwärtig gibt es allerdings noch kaum Konzepte für die längerfristige Entwicklung älterer Mitarbeiter im Betrieb. 

3.1.4 Auswirkungen auf die Konsum- und Investitionsnachfrage

Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung beeinflussen aber nicht nur das Erwerbspotential und die Arbeitsproduktivität, sondern auch Höhe und Struktur der Konsum- und Investitionsnachfrage. Allerdings sind die Auswirkungen des demographischen Wandels hier schwer einzuschätzen und werden zum Teil auch kontroversiell beurteilt: Während einige Ökonomen als Folge des Rückgangs der Bevölkerung auf ein Sinken der Nachfrage schließen (21), gehen andere davon aus, daß die Bevölkerungsabnahme durch die steigende Zahl von Haushalten kompensiert wird. (22)

Das Herausfiltern der Auswirkungen des Alters auf den Konsum wird dadurch erschwert, daß sich sein Einfluß von dem anderer Faktoren, wie Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Bildungsniveau oder soziale Stellung nur schwer isolieren läßt. Abgesehen vom Alter (das immerhin zwischen 60 und 100 differieren kann) bestimmen viele Faktoren die Konsumgewohnheiten der Senioren. Auch wenn sich das Kaufverhalten zumindest bei den älteren Senioren aufgrund der körperlichen Veränderungen und des veränderten Zeitbudgets zweifellos ändert, sodaß bei einigen Produktbereichen ein altersspezifisches Kaufverhalten festzustellen ist (das auch für die zukünftigen Altengenerationen ein ähn-liches Verhalten erwarten läßt), spielen jedoch auch sog. Generationen-, Jahrgangs- oder Kohorteneffekte eine Rolle (d.h., ein in jüngeren Jahren erlerntes Kaufverhalten wird auch in späteren Lebensphasen beibehalten).

Aus diesen Gründen muß von der Vorstellung eines typischen Durchschnittsverbrauchers mit gleichartigen Konsumwünschen generell Abschied genommen werden. Die Alten als homogene Zielgruppe gibt es nicht.

Dazu kommt, daß ein wesentlicher Teil der Konsumausgaben nicht personenbezogen, sondern haushaltsgebunden ist. Für die Höhe der Haushaltsausgaben sind vor allem die Haushaltsgröße und das Haushaltseinkommen maßgebend, die wiederum stark abhängig vom Alter des Haushaltsvorstandes bzw. der jeweiligen Phase im Haushaltslebenszyklus sind.

Über die Konsumnachfrage bestimmt die demographische Entwicklung, aber auch die Investitionsnachfrage, da bei einer schrumpfenden Bevölkerung und (altersbedingt) verändertem Konsumverhalten – über die Absatzerwartung – auch die Investitionsneigung der Unternehmer beeinflußt wird. Aus diesem Zusammenhang leiten einige Ökonomen ab, daß das Abflachen der Konsumquoten – als Folge der Veränderung von Bevölkerungszahl und Altersstruktur – eher in Richtung einer stagnierenden Wirtschaftsentwicklung wirkt (u.a. LOY 1997, S. 65). 

3.2 Sozialpolitische Konsequenzen

Demographische Entwicklung und Sozialpolitik sind in vielfältiger Weise miteinander verknüpft: So erfordert ein steigender Anteil älterer Menschen entsprechende Anpassungen der Systeme der sozialen Sicherung, auf der anderen Seite werden Fertilität, Mortalität und Migration über die Struktur und das Niveau der Sozialausgaben bzw. des Steuersystems direkt und indirekt beeinflußt.

Die steigende Zahl alter, insbesondere hochbetagter Menschen wird nicht nur im Pensionssystem, sondern auch in der Gesundheits- und (Alters-)Sozialpolitik tiefgreifende Kurskorrekturen notwendig machen:

  • einerseits, weil allein schon demographisch bedingt mit einer Zunahme der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und der Zahl pflegebedürftiger Menschen zu rechnen ist;
  • andererseits, weil immer mehr Menschen in Kleinfamilien, mit wenigen oder keinen Kindern oder überhaupt allein leben werden. Kommen diese nun in Lebenssituationen bzw. in ein Alter, wo sie der Hilfe oder Pflege bedürfen, sind sie – infolge des reduzierten familiären Pflegepotentials – auf außerfamiliäre Unterstützung, soziale Dienste und Einrichtungen angewiesen.

Die sozialpolitischen Konsequenzen dieser Entwicklung werden zwangsläufig eine steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und ein tiefgreifender Wandel in der Altenbetreuung sein.

3.2.1 Steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen

Mit dem Alter steigt das Krankheitsrisiko und die Wahrscheinlichkeit funktionaler Beeinträchtigungen – und damit die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitswesen. Das zeigt sich in der zunehmenden Häufigkeit von Arztbesuchen, im steigenden Medikamentenkonsum und in der Zunahme von Spitalsaufenthalten. Auch der Bedarf an psychiatrischer und palliativer Betreuung nimmt mit dem Alter zu.

Je nach Art der medizinischen Versorgung ergeben sich dabei große Kostenunterschiede: Während die ambulante Behandlung durch Hausärzte und die Pflege zu Hause vergleichsweise günstig ist, steigen die Kosten im stationären Bereich überproportional.

Aufgrund der demographischen Veränderungen droht eine weitere Kostenexpansion im Gesundheitswesen. Die zukünftigen Kostensteigerungen werden sich dabei aber nicht so sehr aus der erhöhten Lebenserwartung als vielmehr aus der steigenden Zahl alter Menschen ergeben. Studien in Österreich und der Schweiz zeigen, daß der Mensch in seinen letzten zwei Lebensjahren (weitgehend unabhängig vom Alter) infolge intensiver medizinischer Betreuung bis zu 50% der gesamten lebenszeitlichen Ausgaben für die Gesundheit verbraucht (ZWEIFEL/FELDER 1996).

Die Kostendynamik im Gesundheitswesen wird aber nicht nur durch die steigende Zahl alter Menschen und die Art der medizinischen Versorgung bestimmt, sondern auch durch angebotsseitige und institutionelle Faktoren:

  • Angebotsseitig hat der medizinische Fortschritt neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnet, die zu einer deutlichen Zunahme der Lebenserwartung geführt haben, jedoch auch einen steigenden Ressourcenbedarf zur Folge haben.
  • Institutionelle Gründe für die Kostensteigerung im Gesundheitswesen sind vor allem die mit der Entwicklung des Versorgungsniveaus gestiegene hohe Bedarfsorientierung, die zur Etablierung von Anreizsystemen geführt haben, die in manchen Bereichen Fehlallokationen der Ressourcen zur Folge haben. (23)

Gleichzeitig machen aber eben diese Faktoren Vorhersagen über die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Gesundheitsbereich auch so schwierig. Denn die "internen" Produktionsbedingungen und die – politisch determinierten - Anreizsysteme im Gesundheitswesen können den Faktor "Bevölkerungsentwicklung" sowohl verstärken als auch zum Teil kompensieren. So könnten neue Behandlungsmethoden oder aus heutiger Sicht nicht vorhersehbare Erfolge im Bereich der Prävention viele Probleme, insbesondere die Folgen chronischer Krankheiten, entschärfen.

Aber auch ohne demographische Alterung werden die Herausforderungen an die Gesundheitspolitik beträchtlich sein. Denn obwohl Zahl und Anteil alter Menschen seit den 60er Jahren kaum zugenommen haben (von 19% auf 21%), hat sich der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP mehr als verdoppelt (von 4,0% im Jahre 1960 auf 8,1% im Jahre 1996). Diese Ausgabenentwicklung muß daher gestoppt werden, weil sie sonst bald unfinanzierbar wird.

Dazu ist ein radikales Umdenken nicht nur im kurativen Bereich notwendig. Neben einer besseren Koordination und Kooperation der verschiedenen Teilsysteme des Gesundheits- und Sozialwesens muß vor allem der Vorsorge und Prävention (und zwar sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich) Vorrang gegeben werden. Das setzt aber eine größere Eigenverantwortlichkeit und ein stärkeres Kostenbewußtsein seitens der Patienten voraus. Und schließlich sollten auch Selbsthilfegruppen stärker gefördert werden, weil sie Aufgaben übernehmen können, die in solchen Gruppen besser erfüllt werden können als durch andere Einrichtungen des Gesundheitswesens. 

3.2.2 Wandel in der Altenhilfe und -pflege

 Mit zunehmendem Alter steigt nicht nur das Krankheitsrisiko, immer häufiger treten auch verschiedene körperliche und psychische Krankheiten gleichzeitig auf (Multimorbidität), die oft chronisch werden. Dadurch nimmt die Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zu, einerseits als Folge der Krankheit(en) und andererseits durch eine nicht mehr oder nur eingeschränkt selbständige Lebensführung. Nahezu jeder dritte über 85jährige ist ein schwerer Pflegefall (Steirischer Entwicklungsplan 1997, S. 63).

In Alten- und Pflegeheimen sind derzeit an die 7.500 alte Menschen untergebracht. In steirischen Privathaushalten leben dagegen mehr als 17.500 schwer pflegebedürftige Senioren sowie etwa 67.000 Personen, die im weitesten Sinne pflegebedürftig sind. Davon beanspruchen gegenwärtig durchschnittlich 14.500 Personen Hauskrankenpflege, mobile Altenhilfe und/oder Heimhilfe. Das entspricht einer "Betreuungsquote" von rund 19% bei den über 75jährigen (a.a.O., S. 63). Die überwiegende Mehrheit (ca. 80%) wird durch Familienmitglieder, sonstige Verwandte oder Freunde gepflegt. Das erspart dem steirischen Landesbudget rund 700 Mio. Schilling jährlich.

Ob auch in Zukunft ein so hoher Anteil an Pflegebedürftigen in privaten Haushalten betreut werden kann, hängt von den "haushaltsinternen und -externen Ressourcen" ab.

  • Wichtige haushaltsinterne Ressourcen sind:
    • Haushaltsangehörige, die zu einer solchen Pflege fähig und auch willens sind,
    • eine alten- bzw. pflegegerecht ausgestattete Wohnung,
    • ein ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen, um auch haushaltsexterne Ressourcen in Anspruch nehmen zu können.
    • Zu den haushaltsexternen Ressourcen zählen die ambulanten und teilstationären sozialen Dienste (**) sowie die sozialen Netzwerke, in die die privaten Haushalten eingebunden sind (Freundeskreis, Vereine etc.).

Aufgrund der demographischen Veränderungen sind auch die Rahmenbedingungen der privaten Pflege massiven Änderungen unterworfen und werden einen steigenden Bedarf an sozialen Diensten zur Folge haben.

Einflußfaktoren der privaten Pflege

  • Das familiäre Hilfspotential ist vor allem abhängig von der Haushaltsgröße und Haushaltsstruktur sowie dem Erwerbsverhalten der Frauen. Insbesondere Töchter bzw. Schwiegertöchter haben eine zentrale Rolle als Pflegepersonen ihrer Eltern bzw. Schwiegereltern. Dieses "Töchterpotential" wird jedoch mittel- und langfristig stark abnehmen, wenn die "Baby-Boom-Generation" selbst alt wird. Gleichzeitig wird auch ihre Kindergeneration zahlenmäßig sehr schwach besetzt sein.
    Dazu kommen die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen, die hohen Scheidungsquoten und die Zunahme der Zahl der AlleinerzieherInnen. Eine wachsende Zahl alter Menschen kann daher im Bedarfsfalle nicht mehr auf die "Familie" als intaktes soziales Netzwerk zurückgreifen. Dadurch gehen die bisher genutzten Hilfspotentiale verloren, und Leistungen, die bisher von der Familie, der Verwandtschaft oder Nachbarschaft kostenlos erbracht wurden, müssen nun zunehmend durch institutionalisierte Dienste ersetzt werden.
    Ein weiterer Grund für die abnehmende Verfügbarkeit von Hilfe- und Unterstützungsleistungen durch Angehörige liegt in der steigenden Mobilität: Verwandte leben in zunehmendem Maße räumlich getrennt und weiter voneinander entfernt. Die geographische Distanz wirkt sich dabei nicht nur auf die familiären Beziehungen aus, sondern auch auf das informelle soziale Netzwerk wie z.B. den Freundeskreis.
  • Eine wichtige Voraussetzung für die Pflege zu Hause bildet das Vorhandensein einer altersgerechten Wohnmöglichkeit. Ein Großteil der alten Menschen verbleibt gewöhnlich so lange in der eigenen Wohnung bzw. im eigenen Haus, bis sich der Umzug in ein Heim nicht mehr vermeiden läßt. Dieser Zeitpunkt könnte oft durch einfache Adaptierungsmaßnahmen hinausgeschoben werden.
  • In der Praxis fehlt es aber nicht nur an altersgerecht ausgestatteten Wohnungen, sondern auch an einer adäquaten Infrastruktur, die altersbedingte Einschränkungen kompensiert und dem wachsenden Bedarf an Hilfe, Unterstützung und Pflege Rechnung trägt. Der Bedarf richtet sich dabei vornehmlich auf ergänzende Dienste, wie hauswirtschaftliche Unterstützung bis hin zum betreuten Wohnen, aber auch auf ambulante Gesundheitsdienste, die auf ältere Personen zugeschnitten sind, die in ihren Fähigkeiten, Tätigkeiten des Alltags zu verrichten, eingeschränkt, aber nicht pflegebedürftig sind. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten, die ebenfalls dazu beitragen, in der eigenen Wohnung zu bleiben.
  • Die Inanspruchnahme solcher Hilfen erfordert jedoch ein ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen, das allerdings nur in wenigen Fällen gegeben ist: Die durchschnittliche Alterspension von früher unselbständig erwerbstätigen SteirerInnen liegt monatlich bei rund öS 13.500.- netto (Frauen liegen meist noch darunter), wobei 21% der steirischen PensionistInnen Ausgleichszulagenempfänger sind.

1993 wurde zur sozialen Absicherung im Falle von Pflegebedürftigkeit das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) eingeführt. Diese neue Pflegegeldregelung sichert allen betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen – unabhängig von ihrem Einkommen – am tatsächlichen Pflegebedarf orientierte Geldleistungen, auf die auch ein Rechtsanspruch besteht.

1997 bezogen in der Steiermark etwas mehr als 50.000 Menschen Pflegegeld: in knapp 42.000 Fällen vom Bund und in rund 8.200 Fällen vom Land. Mehr als zwei Drittel davon sind Frauen. Das durchschnittliche Alter der PflegeldbezieherInnen liegt knapp über 75 Jahre.

Steigender Bedarf an sozialen Diensten

Im Zusammenhang mit der Einführung des Pflegegeldes haben sich die Bundesländer verpflichtet, Planungsvorgaben für den flächendeckenden Ausbau von Pflegediensten zu erarbeiten. Diese umfassen neben den stationären Einrichtungen (Alten- und Pflegeheime, Kurzzeitpflege, betreutes Wohnen, Seniorenwohnungen, Abteilungen für geriatrische Remobilisation), teilstationäre und ambulante soziale Dienste.

Um eine solche flächendeckende Versorgung und Betreuung kranker und pflegebedürftiger Menschen zu erreichen, ist seit 1995 – im Zusammenwirken mit Sozialämtern, Gemeinden und privaten Wohlfahrtsträgern – der Aufbau eines flächendeckenden Systems von Integrierten Gesundheits- und Sozialsprengeln im Gange.

Im Hinblick auf Entwicklungsstand und Erneuerungsbedarf sind bei den verschiedenen sozialen Diensten allerdings noch große regionale und qualitative Unterschiede gegeben (Steirischer Entwicklungsplan 1997, S. 157 ff):

  • In der Steiermark gibt es derzeit rund 170 stationäre Pflegeeinrichtungen. Davon sind 56% reine Pflegeheime, 33% gemischte Alten- und Pflegeheime und 11% reine Altenheime. In Zukunft ist stärker als bisher eine Mischform von Wohn- und Pflegeheimen notwendig. Denn wenn betagte Menschen in Pensionistenheime übersiedeln, befinden sie sich meist schon in schlechter physischer und psychischer Verfassung bzw. sind oft bereits Pflegefälle. Dies erfordert eine entsprechende Umstrukturierung hin zum Pflegebereich.
    Außerdem sind nach wie vor noch viele mit hohen Kosten belastete Akutbetten in Krankenhäusern mit Pflegefällen belegt. Durch die Schaffung eines ausreichenden Angebotes an Pflegebetten in den stationären Einrichtungen kann eine vom humanitären Standpunkt aus mindestens gleich gute, jedoch kostensparendere Lösung erreicht werden.
    Bei der Errichtung neuer stationären Einrichtungen sollten kleinere Einheiten Priorität vor Großprojekten haben. Dadurch könnten auch die bestehenden regionalen Versorgungsunterschiede besser ausgeglichen werden.
    Ein großer Mangel besteht derzeit an Kurzzeitpflegeplätzen. Privatgewerbliche Heime verfügen nur in geringem Ausmaß über Kurzzeit-Pflegekapazitäten, lediglich die vier Landesaltenpflegeheime bieten ein fixes Angebot an solchen Diensten an (ebenso wie das Landeskrankenhaus Mariazell und das Krankenhaus Kapfenberg).
    Sehr wichtig wären auch eigene Abteilungen für geriatrische Remobilisation. Solche Einrichtungen gibt es aber zur Zeit noch nicht.
  • Ebenfalls ein steigender Stellenwert wird den teilstationären Einrichtungen für ältere Menschen zukommen. Geriatrische Tagespflege- und Tagesbetreuungsstätten gibt es zur Zeit allerdings erst in Graz und Bruck/Mur.
  • Große Lücken bestehen auch bei der gemeindenahen Versorgung im gerontopsychiatrischen Bereich.
  • An Bedeutung gewinnen wird vor allem der ambulante Bereich – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Tendenzen im Gesundheitswesen (stärkere Gewichtung des nichtstationären Bereichs und Ressourcenknappheit sowie leistungsorientierte Verrechnung in Krankenanstalten).
    Besondere Bedeutung kommt dabei der medizinischen Hauskrankenpflege und der Heimhilfe sowie den Essenszustelldiensten zu – vor allem deswegen, weil durch ihre Hilfe ältere Menschen wesentlich länger in ihrer vertrauten Wohnumgebung bleiben können.

 

3.3 Politische Auswirkungen

Bevölkerungsschrumpfung und -alterung werden auch massive Auswirkungen auf die Politik haben. Die politischen Konsequenzen des demographischen Wandels reichen von einer veränderten Position der Steiermark im föderativen Kräftespiel der österreichischen Bundesländer über sinkende Einnahmen aus dem Finanzausgleich bis zu nachhaltigen Veränderungen in den Machtverhältnissen zwischen den Generationen.

Sinkender politischer Stellenwert und finanzielle Schwächung der Steiermark

Der Bevölkerungsrückgang wird zunächst das politische Gewicht der Steiermark gegenüber den anderen Bundesländern schmälern. Denn für die Verteilung der Nationalratsmandate auf die neun Bundesländer (Wahlkreise) ist die Zahl der Inländer maßgebend. Das West-Ost-Gefälle der Bevölkerungsentwicklung wird daher zu einer steigenden politischen Bedeutung der westlichen Bundesländer führen. Das geht vor allem auf Kosten der südlichen Bundesländer Steiermark und Kärnten und dürfte wohl auch entsprechende Konsequenzen für die Verteilung öffentlicher Mittel haben.

Gleichzeitig wird sich auch die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (im wesentlichen der Einkommens-, Umsatz- und Lohnsteuer) im Rahmen des Finanzausgleichs zu Ungunsten der Steiermark ändern, was vor allem die steirischen Gemeinden zu spüren bekommen werden (die zudem mit steigenden Kostenbelastungen für den Ausbau der Altenhilfe konfrontiert sind). Die sog. "Ertragsanteile" (an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben) machen heute oft schon mehr als 60% der Steuereinnahmen der Gemeinden aus.

Veränderung der intergenerationalen Machtverhältnisse

Wesentlich schwerwiegendere Auswirkungen wird der demographische Wandel aber auf die Machtverhältnisse zwischen den Generationen haben. Die Senioren werden – zumindest potentiell – in zunehmendem Maße zu einem politischen Machtfaktor: Bis zum Jahre 2050 wird der Anteil der über 60jährigen an der wahlberechtigten Bevölkerung von gegenwärtig 26% bis auf 47% ansteigen und jener der 50jährigen mehr als 60% ausmachen! (Tabelle 3.3). In Zukunft werden die Wahlen daher zunehmend von den Senioren entschieden.

Schon heute ist der Anteil älterer Menschen an den Wählerstimmen und an der Mitgliedschaft in Parteien, Verbänden und Organisationen hoch. Vor allem die großen politischen Parteien in Österreich werden überdurchschnittlich von Senioren präferiert (profil 47/98) – und mit der Klientel ändern sich auch die politischen Inhalte. Aus diesem Grund wird in Zukunft die Bedeutung der Altengeneration noch weiter zunehmen.

Tab. 3.3: Entwicklung der Zahl der Wahlberechtigten in der Steiermark 1991–2050 und der Anteile der über 50jährigen und der über 60jährigen Bevölkerung (in Tausend)

  1991 2000 2010 2020 2030 2040 2050
Wahlberechtigte insges. 932 967 985 977 950 911 844
Bevölkerung 50+ 373 404 455 535 559 555 521
%-Anteil (50+) 40% 42% 46% 55% 59% 61% 62%
Bevölkerung 60+ 244 262 292 336 409 421 400
%-Anteil (60+) 26% 27% 30% 34% 43% 46% 47%

Quelle: HANIKA 1998; eigene Berechnungen

Virulent wird dieses Faktum vor allem deswegen, weil durch die stagnierende bzw. sinkende Zahl der Erwerbstätigen und die Probleme am Arbeitsmarkt die Finanzierungsbasis des Sozialsystems zunehmend belastet wird: Hohe Arbeitslosenraten führen aufgrund einer entsprechend niedrigeren Zahl von Beitragszahlern zu Einnahmensausfällen, machen aber gleichzeitig höhere Sozialausgaben erforderlich. Dazu kommen noch – aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung – steigende Gesundheits- und Pensionsausgaben.

Geringe Lohnzuwächse und Standortkonkurrenz hinsichtlich der Höhe der Sozialabgaben und der Steuern machen es jedoch zunehmend schwieriger, die erforderlichen Mittel für die Finanzierung des Sozialstaats aufzubringen. Darüber hinaus ist eine Ausbreitung politischer Vorstellungen zu verzeichnen, die den bestehenden Sozialsystemen von vornherein mit Skepsis gegenüberstehen.

Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die ältere Generation ihre potentielle politische Macht zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzt. Die doch relativ weitgehende Opfer- bzw. Verzichtshaltung der gegenwärtigen Altengeneration, die ihre Interessen bisher noch nicht sehr nachhaltig artikuliert hat, kann nicht ohne weiteres für die Zukunft fortgeschrieben werden. Jede weitere künftige Altengeneration wird einen immer besseren Bildungsgrad aufweisen, wodurch Haltungsänderungen in Richtung mehr Selbstbewußtsein, höhere Ansprüche und mehr Durchsetzungsfähigkeit verbunden sind.

Dazu kommt, daß die "heranwachsenden" Altengenerationen Mentalitätsunterschiede gegenüber den jetzigen Alten aufweisen, die unabhängig von der Schulbildung die angedeutete Anspruchshaltung verstärken dürften. Ihre persönlichkeits- und haltungsprägenden Jugend- und Jungerwachsenenjahre haben diese "Neuen Alten" in einer Zeit wirtschaftlicher Prosperität erlebt, die eine Konsumorientierung, die Befriedigung von Bedürfnissen sowie überhaupt ein hohes und ständig steigendes Anspruchsniveau nicht nur erlaubt, sondern geradezu gefördert hat. "Nicht mehr Genügsamkeit, Verzichten-können und Gehorsam sind für diese Generationen die Leitwerte und Tugenden, sondern Karriere, Verdienst und Konsum" (MAJCE 1998). Es bleibt daher abzuwarten, wie die zunehmend besser gebildeten, selbstbewußten und "konfliktfähigeren" Altengenerationen der Zukunft, die überdies ein ständig wachsendes Wählerpotential darstellen, auf diese potentiellen Konfliktfelder zwischen den Generationen reagieren werden.

 

4 Resümee

4.1 Schlußfolgerungen

Die Steiermark zählt zu jenen Bundesländern, die am stärksten von Bevölkerungsschrumpfung und Alterung bedroht sind. Vor allem in einzelnen Regionen könnte diese Entwicklung dramatische Ausmaße annehmen und tiefgreifende ökonomische, soziale und politische Auswirkungen zur Folge haben, die heute in ihrem vollen Umfang noch gar nicht abzusehen sind. Umso wichtiger ist es daher, sich rechtzeitig mit diesen Entwicklungen und ihren möglichen Konsequenzen auseinanderzusetzen.

4.1.1 Wirtschaftliche Konsequenzen

Die demographischen Veränderungen werden vielfältige Auswirkungen auf die Wirtschaft haben:

Schrumpfung und Alterung des Erwerbspotentials

Analog zur Bevölkerungsentwicklung kommt es auch zu einer zahlenmäßigen Abnahme und Alterung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Dadurch werden die regionalen Ungleichgewichte auf der Angebots- und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes weiter zunehmen und langfristig auch die Infrastrukturausstattung in einzelnen Regionen gefährden. Eine weitere Reduzierung der Nahversorgung, die Auflassung von Kindergärten, Schulen oder Gendarmerieposten und die Verschlechterung des öffentlichen Verkehrsangebots könnten wiederum die vorhandenen Abwanderungstendenzen verstärken.

Steigende Nachfrage nach öffentlichen Leistungen

Gleichzeitig wird der demographische Wandel auch zu einer steigenden Nachfrage nach öffentlichen Leistungen, insbesondere nach Gesundheitsleistungen und sozialen Diensten führen, deren Finanzierung jedoch durch die sinkende Zahl von Beitragszahlern gefährdet ist. Angesichts des Geburtenrückgangs und des daraus resultierenden langfristigen Schrumpfens des Erwerbspotentials ist daher eine entsprechende Steigerung der Produktivität sowie eine verstärkte Erwerbsbeteiligung der Frauen und älteren Arbeitnehmer notwendig.

Notwendigkeit vermehrter Qualifikationsanstrengungen

Da weniger Schulabgänger nachrücken, reduziert sich auch die Zahl jener Arbeitskräfte, die neu erworbene Qualifikationen, Innovationsbereitschaft und jugendliche Dynamik mitbringen. Eine Steigerung der Arbeitsproduktivität erfordert daher höhere Kapitalinvestitionen und vermehrte Qualifikationsanstrengungen, um den Ausfall an jugendlichen Nachwuchskräften aufzuwiegen oder zumindest teilweise zu kompensieren.

Das betrifft vor allem Frauen und ältere Arbeitnehmer. Ihre berufliche Ausgrenzung läßt sich nur dadurch verhindern, daß Qualifizierungsprozesse in die gesamte Erwerbsbiographie einbezogen und – unterstützt durch entsprechende arbeitsorganisatorische und arbeitszeitliche Rahmenbedingungen – im Sinne von lebenslangem Lernen systematisch den Arbeitsprozeß und die gesamte Erwerbsbiographie bestimmen. Gegenwärtig gibt es allerdings kaum Konzepte für die längerfristige Entwicklung älterer MitarbeiterInnen im Betrieb.

Dämpfung des Wirtschaftswachstums

Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist ebenfalls vom demographischen Wandel betroffen, da sich mit dem Alter sowohl Niveau als auch Struktur des Konsums ändern. Auch wenn die Senioren aufgrund ihrer gestiegenen Kaufkraft einen zunehmend wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen, muß insgesamt davon ausgegangen werden, daß eine schrumpfende Bevölkerung – zumindest langfristig – dämpfend auf das Investitionsverhalten und damit auch auf das Wirtschaftswachstum wirkt.

Neben diesen direkten Effekten haben die Bevölkerungsveränderungen auch indirekte wirtschaftliche Auswirkungen:

  • So wird etwa über das Arbeitsangebot und die Ausstattung mit Infrastruktur auch die Standortqualität einer Region beeinflußt – und damit letztlich auch die regionale Wirtschaftsentwicklung;
  • die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen bestimmt ihrerseits (durch die Art ihrer Finanzierung) die Steuer- und Abgabenpolitik des Staates – und diese wiederum das Lohnkostenniveau, das einen wesentlichen Faktor der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bildet;
  • demographisch bedingte Änderungen der Konsumnachfrage bewirken durch die induzierten Investitionen auch Veränderungen in der Produktion – was entsprechende Konsequenzen für das Beschäftigungsausmaß hat; die Beschäftigung wiederum beeinflußt – über die Einkommenshöhe und -verteilung – die Ausgaben- bzw. Nachfragestruktur der Konsumenten.

Aus diesen Gründen ist die Beurteilung der ökonomischen Konsequenzen des demographischen Wandels auch so schwierig (und zum Teil widersprüchlich). Die Interdependenzen sind derart vielfältig, daß hier erst wenige eindeutige Ergebnisse vorliegen.

4.1.2 Konsequenzen für die Gesundheits- und Altenhilfepolitik

Der demographische Wandel wird vor allem Auswirkungen auf das System der sozialen Sicherheit haben. Neben dem Pensionsversicherungssystem wohl am stärksten betroffen sind das Gesundheitswesen und die Pflegevorsorge.

Die zukünftige Entwicklung ist hier einerseits durch die Einführung des Pflegegeldes bestimmt, andererseits durch den fiskalischen Druck, der durch die Umstellung der Finanzierung im Krankenanstaltenbereich verursacht ist. Dadurch wird es zu einer Verschiebung der traditionellen Versorgungshierarchie kommen. Vor allem die ambulanten und teilstationären Dienste werden eine zunehmend wichtige Puffer- und Filterfunktion gegenüber den vor- und nachgelagerten Ebenen bekommen (HOFMARCHER 1997, S. 6f):

  • die Pufferfunktion wird darin bestehen, durch das vermehrte Angebot an Hauskrankenpflege die Auswirkungen des Entlassungsdrucks aus den Krankenanstalten infolge der leistungsorientierten Finanzierung zu mildern;
  • die Filterfunktion bewirkt, daß die Hauskrankenpflege bzw. die Heimhilfe im Zusammenwirken mit den Hausärzten Spitalsaufnahmen hinauszögert.

Diese Entwicklung wird mit einer Ausweitung und einer stärkeren Akzentuierung der Angebotspalette einhergehen und damit auch nicht unwesentliche Beschäftigungseffekte haben. Aber auch die Frage der Qualität bzw. Qualitätssicherung gewinnt dadurch zunehmend an Bedeutung.

* Neue Beschäftigungschancen

Mit der Einführung des Pflegegeldes wurden auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen verknüpft: Durch den weiteren Ausbau der sozialen Dienste soll die Schaffung zusätzlicher regulärer Arbeitsplätze gefördert werden, um Quantität und Qualität der Altenhilfe zu sichern (NAP 1998). Es ist vor allem Aufgabe des Landes, die sozialen Pflegedienste quantitativ und qualitativ weiter auszubauen.

Gegenwärtig ist der steiermarkweite Ausbau der mobilen Dienste noch im Gange. In Summe beläuft sich der landesweite Fehlbestand bis 2010 für den Bereich der Hauskrankenpflege, Alten- und Pflegehilfe sowie Heimhilfe auf 323 (Minimumoption) bzw. 827 (Maximumoption) Vollzeitäquivalente. Zusammen mit dem Pflege- und Betreuungspersonal in den steirischen Alten- und Pflegeheimen (24) (rund 500 Vollzeitäquivalente) und dem Fehlbestand an Physio- und Ergotherapeuten (mehr als 200 Vollzeitäquivalente) ergibt das allein bis zum Jahr 2010 neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Gesamtumfang von mehr als 1.500 Vollzeitäquivalenten! Aufgrund der Möglichkeit flexibler Arbeitszeitgestaltung bietet der Pflegebereich vor allem Frauen gute Beschäftigungschancen.

Gleichzeitig werden auch für die Abwicklung organisatorischer Tätigkeiten, Schulungs- und Managementaufgaben der einschlägigen Hilfsorganisationen neue Arbeitskräfte benötigt, die hochqualifizierte Managementfähigkeiten erfordern. Von einem stärkeren Ausbau der sozialen Dienste würden aber auch sekundäre Beschäftigungseffekte ausgehen, weil die verstärkte Inanspruchnahme der Leistungen dieser Dienste zusätzliche Investitionen und Dienstleistungen zur Folge hat.

* Zunehmende Bedeutung der Qualitätssicherung

Bei der Entwicklung der Tätigkeit der sozialen Dienste gewinnt auch die Frage der Qualität bzw. Qualitätssicherung zunehmend an Bedeutung, da heute die sozialen Dienste und Einrichtungen den gestiegenen Ansprüchen alter Menschen gerecht werden müssen. (25)

Die externe Qualitätssicherung (die Überprüfung und Kontrolle durch Institutionen, Personen oder Organisationen von außen) ist zum Teil gesetzlich vorgeschrieben (z.B. durch die Heimaufsicht), kann aber auch von Kostenträgern initiiert werden oder von dem sozialen Dienst selbst in Auftrag gegeben werden. Bei geförderten Modellvorhaben ist in der Regel eine externe Evaluation vorgesehen, die auch qualitätssichernde Elemente enthält. Aber auch Ombudsleute oder gemeinnützige Organisationen sind in der externen Qualitätssicherung engagiert.

Die externe Qualitätssicherung ist weitgehend anerkannt, reicht jedoch nicht aus, da sie sich zwangsläufig nur auf bestimmte Aspekte konzentrieren kann. Ein umfassender Einblick in die Leistungen und in die Qualität der jeweiligen Dienste ist von außen kaum möglich, vor allem dann, wenn geringe Kooperationsbereitschaft seitens des geprüften Dienstes besteht. Zwar sind Befragungen der Klienten möglich, auch Kontrollen aufgrund von Beschwerden seitens der Klienten, doch kann das komplexe Interaktionsmuster in seiner Qualität von außen kaum erfaßt werden.

Die interne Qualitätssicherung hat daher einen Prozeß des Qualitätsmanagements in Gang zu setzen, der eine ständige Qualitätsüberprüfung und gegebenenfalls -verbesserung ermöglicht. Zu internen Qualitätssicherungsmaßnahmen zählen: die Erarbeitung und Weiterentwicklung von verbindlichen Standards, die Supervision einzelner Fälle oder des Teamverhaltens, die regelmäßige fachliche Fortbildung, die Einsetzung von Qualitätszirkeln oder das Erarbeiten eines Leitbildes. Da eine solche interne Qualitätssicherung mit relativ großem Aufwand verbunden ist, muß die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Träger berücksichtigt werden.

Im Sinne eines Mindestmaßes an Qualitätssicherung sind jedoch zumindest folgende Maßnahmen von allen Diensten und Einrichtungen zu fordern:

  • regelmäßige Rechenschaftsberichte mit Angabe der Ziele und dem Grad der Zielerreichung
  • Offenlegung der internen Qualitätssicherungsmaßnahmen
  • Darlegung der fachlichen Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter
  • Entwicklung von Qualitätssiegeln.

Darüber hinaus muß die Bedeutung der externen und internen Qualitätssicherung in den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben werden. Qualität ist vor allem dann sichergestellt, wenn die Betreiber von sozialen Diensten und Einrichtungen ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse daran haben, qualitätvoll zu arbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

* Mögliche Einsparpotentiale im Gesundheits- und Altenhilfebereich

Aufgrund der sich verändernden Haushalts- und Familienstrukturen wird eine wachsende Zahl alter Menschen im Falle der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit im zunehmenden Maße von institutionalisierter Hilfe abhängig. Doch diese ist teuer und nur zu einem geringen Teil durch Eigenfinanzierung abgedeckt.

Zur Senkung der Kostendynamik im Gesundheits- und Pflegebereich angesichts der sich abzeichnenden demographischen Veränderungen schlägt BADELT ein Gesamtkonzept vor, das sich im wesentlichen aus vier Bausteinen zusammensetzt (BADELT u.a. 1995, S. 169 ff):

  1. einer aktiven Gesundheitspolitik
  2. der Realisierung noch ungenützter Kostensenkungspotentiale
  3. dem Aufzeigen der mit der öffentlichen Betreuungsleistung verbundenen Kosten
  4. der stärkeren Unterstützung des "informellen Sektors".

Die größte Bedeutung mißt BADELT dabei der Forcierung einer aktiven Gesundheitspolitik und der stärkeren Unterstützung der Arbeit des "informellen Sektors", insbesondere der familiären Pflege zu:

  • Der Schwerpunkt der Gesundheitspolitik muß auf Prävention und Gesundheitsförderung verlagert werden mit dem Ziel, die Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen zu ändern – und zwar sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene: Auf individueller Ebene geht es um die Veränderung der persönlichen Lebensstile, die Maßnahmen auf gesellschaftlicher Ebene zielen vor allem auf eine stärkere Integration der Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens (wie sie durch die Errichtung der Sozial- und Gesundheitssprengel angestrebt wird).

Da die insgesamt zu erbringenden Pflegeleistungen auch in Zukunft nur zum Teil durch die öffentliche Hand oder durch marktvermittelte Leistungen erbracht werden können, wird nach wie vor ein wesentlicher Teil der Pflegearbeit in informeller, insbesondere familiärer Verantwortung verbleiben. Neben einem weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der stationären und ambulanten Dienste sind daher jene gesetzlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu verbessern, die informelle Pflege bzw. die Betreuung in der Familie erleichtern.

  • Die Unterstützung der Familien muß sowohl durch Verbesserung der ambulanten und teilstationären Angebote der Altenpflege als auch durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die pflegenden Angehörigen erfolgen. Neben der Möglichkeit eines "Urlaubs von der Pflege" oder der Einrichtung von Selbsthilfegruppen auch für die pflegenden Angehörigen geht es dabei vor allem um eine Besserstellung der ökonomischen und sozialrechtlichen Situation der Pflegepersonen (durch Einbeziehung von Pflegezeiten in die Pensionsversicherung und die Zuerkennung einer selbständigen Kranken- und Unfallversicherung für die Pflegepersonen).

Denn die Hauptlast der Pflege trägt die Familie – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft! Nur wenn es gelingt, den Familien entsprechende Unterstützungen zukommen zu lassen, ist ein Zusammenbruch des Systems zu verhindern. "Fehlen die Anreize dazu, ist mit einem weiterhin stark steigenden Bedarf an teuren stationären Pflegeeinrichtungen zu rechnen." Auch "eine vollständige Befriedigung der Betreuungsbedürfnisse durch professionelle ambulante Versorgungsnetze wäre unfinanzierbar" (BADELT; ÖSTERLE 1998, S.129f).

Doch selbst die finanziellen und sozialen Verbesserungen der informellen Pflege allein bieten noch keine Sicherheit, daß die notwendige Betreuung auch langfristig gewährleistet ist: "Eine Bewältigung der in Zukunft stark steigenden Betreuungskosten ist (nur) dann realistisch, wenn es gelingt, durch eine aktive Altenarbeit (und präventive Gesundheitspolitik) die relative Betreuungsbedürftigkeit älterer Menschen zu reduzieren und (ihnen) ‘maßgeschneiderte’ Formen der Unterstützung in ihrer Wohnung anzubieten ..." (a.a.O., S.130). Gleichzeitig ist der Aufbau von organisierter Nachbarschaftshilfe und seine Vernetzung mit den bestehenden Pflege- und Gesundheitsdiensten notwendig.

4.1.3 Politische Konsequenzen

Die Frage der Finanzierung der Alters- und Gesundheitsversorgung ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern könnte auch fundamentale Interessenkonflikte zwischen den Generationen auslösen (Delphi Report Austria 1998).

Denn die zentrale Frage dabei ist, wie in Zukunft die Lasten der Finanzierung auf die Generationen verteilt werden. Die zukünftige altersmäßige Zusammensetzung der wahlberechtigten Bevölkerung läßt erwarten, daß sich auch die zukünftige Sozialpolitik an der wachsenden quantitativen Bedeutung der alten Menschen orientieren wird: Bereits bis zum Jahr 2015 wird jede(r) zweite SteirerIn älter als 50 Jahre und jede(r) dritte über 60 Jahre alt sein!

Die sich zugunsten der Alten verändernden Mehrheitsverhältnisse legen den Schluß nahe, daß die steigenden Belastungen des Sozialsystems vermehrt den Erwerbstätigen aufgelastet werden. Das kann in Form einer Anhebung der Beitragssätze zur Sozialversicherung oder einer verlängerten Wochen- oder Lebensarbeitszeit erfolgen. Realistisch dürfte eine Kombination dieser Maßnahmen sein, was konkret heißt: Länger arbeiten, mehr einzahlen und weniger kassieren.

Auch bei der Gestaltung des Steuersystems könnte es zu demographisch bedingten Veränderungen kommen. Da die ältere Bevölkerung zu einem relativ großen Teil steuerbegünstigte Einkommen bezieht, besteht die Gefahr einer Anhebung des Anteils der direkten im Vergleich zu den indirekten Steuern, weil dies die ältere Generation begünstigen würde.

Daraus ergeben sich folgende Perspektiven (LOY 1997, S. 51): Um den zukünftigen Lebensstandard auch im Alter aufrecht zu erhalten, könnte die zu erwartende Reduzierung des Leistungsangebotes der Pensionsversicherung bereits mittelfristig zu einer verstärkten Erwerbsneigung führen. Das Arbeitsangebot würde dadurch steigen und der demographisch bedingten Verknappung entgegenwirken. Dieser Effekt könnte durch eine Politik unterstützt werden, die die Verlängerung der Lebensarbeitszeit vorsieht.

Dennoch ist eine Erhöhung der Beitragssätze kaum zu vermeiden. Diese schmälert einerseits die verfügbaren Einkommen, während andererseits die steigenden Nebenkosten auch die Ertragsaussichten der Unternehmer mindern (zumindest wenn die Arbeitnehmer diese Zusatzbelastung nicht durch Bruttolohnverzicht ausgleichen). Angesichts des demographisch bedingten Rückgangs an Arbeitskräften ist jedoch eher anzunehmen, daß die Gewerkschaften einen Teil des Rückgangs der Nettolöhne durch erhöhte Lohnforderungen kompensieren – und damit zusätzlich zu einer Verteuerung des Faktors Arbeit beitragen.

Die erhöhte Belastung der Erwerbstätigen durch steigende Beitragssätze bzw. direkte Steuern wird allerdings wiederum zur Folge haben, das Arbeitsangebot einzuschränken oder in die Schattenwirtschaft auszuweichen (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen 1997, S. 147). Das würde sich jedoch ebenfalls negativ auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auswirken. Diese Entwicklung könnte eine zunehmende Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland und eine steigende Arbeitslosigkeit im Inland zur Folge haben. (26) Damit werden aber nicht nur das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft gefährdet, ein solcher Generationskonflikt könnte auch den Sozialstaat in Frage stellen. (27)

Daher stellen die durch den demographischen Wandel induzierten Veränderungen der Machtverhältnisse zwischen den Generationen die eigentliche "Zeitbombe" dar, deren Auswirkungen sich heute noch gar nicht abschätzen lassen. Denn im Gegensatz zu Vergangenheit und Gegenwart werden Kinder und Jugendliche im 21. Jh. deutlich in der Minderheit sein. Schon in wenigen Jahren wird die Mehrheit der Wahlberechtigten über 50 Jahre alt sein. Dadurch wird es für die Jugend noch schwerer, ihre Interessen gegen die Mehrheit der Älteren durchzusetzen. Konflikte sind auch deswegen zu erwarten, weil sich in Zukunft die jüngere Generation stärker als bisher von der älteren Generation unterscheiden wird. Dafür sorgen junge Zuwanderer und die rasch wachsende Zahl in Österreich geborener ausländischer Kinder. Österreich wird daher nicht nur ergrauen. Das Land wird im nächsten Jahrhundert auch eine ethnisch viel buntere Gesellschaft aufweisen als heute (MÜNZ 1998). Auf beide Entwicklungen sind wir aber schlecht vorbereitet.

Eine zukunftsorientierte Alterspolitik muß daher alles daransetzen, eine sowohl politisch als auch ökonomisch sinnvolle Solidarität der Generationen zu erhalten und zu stärken. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Förderung einer Bewußtseinsbildung hinsichtlich der Herausforderungen, aber auch der Chancen, die mit der Alterung der Bevölkerung verbunden sind. Die Zunahme der Lebenserwartung stellt dann keine Last, sondern eine große Chance für jeden einzelnen dar. Die Politik muß daher der möglichen Gefährdung des intergenerationellen Solidaritätspotentials rechtzeitig durch wirkungsvolle Maßnahmen zur Unterstützung der Familien und zur Förderung der Generationensolidarität gegensteuern.

4.2 Empfehlungen an die Politik

Gegenwärtig befinden wir uns noch in einer "demographischen Atempause", die Gesamtbelastungsquote hat zur Zeit den niedrigsten Wert in diesem Jahrhundert. Das ist darauf zurückzuführen, daß die Baby-Boom-Generationen der 40er und 60er Jahre zur Zeit (noch) im erwerbsfähigen Alter stehen, die nachfolgenden Geburtenjahrgänge schwach besetzt sind und die Altenquote noch gering ist.

Doch bereits jetzt kommen die starken Jahrgänge der 40er Jahre ins Pensionsalter, und in etwa 15 bis 20 Jahren dürfte die Alterungswelle die Steiermark voll treffen. Dann könnte eine demographische "Zeitbombe" auf uns zukommen, die sowohl ökonomischen, sozialen als auch politischen Sprengstoff birgt. Sie wird vor allem das Problem der Finanzierung der Alters- und Gesundheitsversorgung und die Frage der Organisation der Altenbetreuung betreffen - und damit möglicherweise fundamentale Interessenskonflikte zwischen der jungen - und der alten Generation auslösen.

Um das zu vermeiden, ist es daher wichtig, sich möglichst frühzeitig mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Dazu gibt es verschiedene Ansatzpunkte.

1. Setzen bewußtseinsbildender Maßnahmen

Zunächst ist eine entsprechende Bewußtseinsbildung notwendig. Die Dimensionen der demographischen Alterung und ihre sozialen und ökonomischen Konsequenzen müssen nicht nur den verantwortlichen Politikern bewußt werden, sondern auch dem einzelnen Bürger. Der Öffentlichkeit ist vor allem klarzumachen: Wer nicht entsprechend vorsorgt (gesundheitlich und finanziell), kann im Alter nicht auf pflegerische und finanzielle Absicherung hoffen!

Eine solche Bewußtseinsbildung erfordert eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit bzw. Informationstätigkeit (28), insbesondere:

  • regelmäßige Berichte über die verschiedenen Aspekte des Alterns und die Konsequenzen für die Gesellschaft
  • die Vermittlung neuer gerontologischer Erkenntnisse in allgemeinverständlicher Form
  • Informationen über die Bedeutung einer gesundheitsorientierten Lebensführung
  • die Weitergabe einschlägiger Informationen über den Pflege- und Hilfebedarf alter Menschen
  • eine bessere Koordination und Durchlässigkeit der Aus- und Weiterbildungs-angebote im Altenhilfebereich in und zwischen den Bundesländern.

2. Verringerung der Betreuungsbedürftigkeit im Alter durch eine aktive Gesundheitspolitik

Um die Kostenexpansion im Gesundheitswesen einzudämmen, muß der Schwerpunkt der Gesundheitspolitik stärker als bisher auf Prävention und Gesundheitsförderung gerichtet sein mit dem Ziel, die Lebens- und Umweltbedingungen zu verbessern – und zwar sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlich-politischer Ebene:

  • Auf individueller Ebene geht es um die Veränderung des persönlichen Lebensstils und die regelmäßige Konsultation von Vorsorgeuntersuchungen, da "ein Großteil der Krankheitsursachen – und damit auch ein Großteil der Ursachen für Hilfs- und Pflegebedürftigkeit – lebensstilbedingt sind" (BADELT u.a. 1995, S. 169f). Das setzt jedoch ein entsprechendes Gesundheitsbewußtsein und Eigenverantwortung voraus.
  • Die Maßnahmen auf gesellschaftlich-politischer Ebene zielen vor allem auf eine stärkere Kooperation und Integration der Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens (wie sie im Modell der Sozial- und Gesundheitssprengel angestrebt wird). Sicherung und Weiterentwicklung einer effizienten und flächendeckenden Gesundheitsversorgung zählen zu den wichtigsten sozialpolitischen Aufgaben der Zukunft. Das erfordert aber entsprechende Organisationsstrukturen und öffentliche Investitionen.

Unterstützt werden kann eine aktive Gesundheitspolitik u.a. durch:

  • eine verstärkte gesundheitsorientierte Informations- und Beratungstätigkeit
  • die Förderung von Selbsthilfegruppen (durch Bereitstellung von Know-how und struktureller Unterstützung bei ihrer Gründung) sowie durch die Einrichtung einer eigenen Koordinationsstelle für Selbsthilfegruppen
  • die Erweiterung des Beratungsangebotes der Familienberatungsstellen um Gesundheits- und Pflegeberatung sowie die Bereitstellung von einschlägigem Informationsmaterial
  • die Einrichtung von regionalen Beratungsstellen für eine altersgerechte Wohnungsanpassung
  • den Ausbau der gerontopsychiatrischen Versorgung in den Bezirken.

3. Prävention auch im Bereich der Arbeitsmarkt-, Wohnbau- und Infrastrukturpolitik

Alterssozialpolitik darf sich nicht allein auf Prävention im Gesundheitsbereich und die Bereitstellung sozialer Dienste beschränken. Sie muß durch vorbeugende Maßnahmen im gesamten Bereich der Arbeitsmarkt-, Wohnbau- und Infrastrukturpolitik die Entstehung von Armut, sozialer Benachteiligung und Hilfsbedürftigkeit zu verhindern versuchen und sollte alle präventiven Möglichkeiten zur Erhaltung der Selbständigkeit alter Menschen voll ausschöpfen.

Denn sonst beschränkt sich die Sozialpolitik auf Maßnahmen und Strategien, die erst bei schon aufgetretener Hilfs- und Pflegebedürftigkeit ansetzen: Sie reduziert sich dann zwangsläufig auf die Bewältigung von Problemlagen, die in Wirklichkeit nur die Spätfolgen von Belastungen und Benachteiligungen sind, die schon während der gesamten vorhergehenden Lebensphasen entstanden sind.

  • Alterssozialpolitik muß daher bereits beim Arbeitsmarkt ansetzen. Besonderer Stellenwert muß die Sicherung der Arbeitsplätze älterer Arbeitnehmer bzw. ihre Reintegration ins Berufsleben bekommen (nicht nur im Hinblick auf die Finanzierungsprobleme der Pensions- und Sozialversicherung). Dazu sind vor allem folgende Maßnahmen notwendig:
    • Förderung von speziellen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer
      Durch neue Modelle muß das Erfahrungs- und Praxiswissen der Älteren mit neuem Wissen verbunden werden und in die betrieblichen Innovationsprozesse eingebracht werden.
    • Anpassung bestehender Arbeitsplätze an die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer
      Aufgrund der Belastungen eines langen Berufslebens sind viele ältere Arbeitnehmer oft nicht mehr in der Lage, ihren Beruf in vollem Umfang bzw. zu den vorhandenen Bedingungen auszuüben. Viele würden jedoch zu erleichternden Bedingungen noch gerne weiterarbeiten.
    • Größere Akzeptanz des "gleitenden Ruhestands"
    • Eine flexible Weiterbeschäftigung im Alter trägt nicht nur zur Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems bei. Auf diese Weise können auch die Potentiale der älteren Arbeitnehmer länger genutzt und gleichzeitig die Anpassung an die nachberufliche Lebensphase erleichtert werden. In Österreich besteht zwar die Möglichkeit des "gleitenden Ruhestandes", wird aber bisher nur wenig genutzt.
  • Große Bedeutung kommt auch der Wohnbau- und der Infrastrukturpolitik zu: Allein durch bauliche Maßnahmen kann die Verweildauer alter Menschen in ihrer gewohnten Umgebung verlängert werden (deswegen sind Beratungsstellen für eine altersgerechte Wohnungsanpassung auch so wichtig). Allerdings haben viele ältere Menschen nur selten die finanziellen Mittel, ihre Wohnung alten– bzw. behindertengerecht zu adaptieren. Die Entwicklung neuer Wohnformen für die ältere Generation wird daher erhebliche finanzielle Anstrengungen seitens der öffentlichen Hand erfordern (Zuschüsse, zinsverbilligte Kredite, Abschreibungsmöglichkeiten etc.).
  • In der Praxis fehlt es aber nicht nur an altersgerechten Wohnmöglichkeiten, sondern auch an einer adäquaten Wohnumgebung. Defizite in der Infrastrukturausstattung des Wohnumfeldes, vor allem Mängel in der Nahversorgung, im öffentlichen Verkehr, in der ärztlichen Versorgung und im Freizeit- und Kulturangebot beeinträchtigen die Lebensqualität alter Menschen in einem hohen Maß und zwingen sie dazu, früher als notwendig institutionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch hier müssen daher entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, um die Fähigkeit alter Menschen zu selbständiger Haushalts- und Lebensführung möglichst lange zu erhalten.

4. Verstärkung der Forschungstätigkeit und Forschungskooperation

Sowohl eine fundierte Informations- und Öffentlichkeitsarbeit als auch die Entwicklung von Strategien, um den Folgen des demographischen Wandels gegenzusteuern, erfordern eine gezielte Forschungstätigkeit. Denn die aus dem demographischen Wandel resultierenden Konsequenzen für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt, die soziale Sicherheit und die anderen davon betroffenen Politikbereiche sind erst in groben Umrissen erkennbar und bedürfen noch eingehender Untersuchungen, um den gesamten Wirkungszusammenhang auch in seiner quantitativen Dimension besser beurteilen zu können.

  • So stellen sich beispielsweise im Hinblick auf eine aktive Gesundheitspolitik und die Organisation der Pflegevorsorge eine Reihe wichtiger Fragen:
    1. Welche Möglichkeiten der präventiven Gesundheitspolitik gibt es, die Betreuungsbedürftigkeit im Alter zu reduzieren?
    2. Wie lassen sich die Wohn- und Lebensbedingungen alter Menschen wirksam verbessern (Wohnungsausstattung, Nahversorgung, ärztliche Versorgung etc.)?
    3. Welche Modelle der Unterstützung pflegender Angehöriger haben sich bewährt?

Gleichzeitig sollte eine stärkere Berücksichtigung gerontologischer Aspekte in den Lehrplänen einschlägiger Aus- und Weiterbildungsinstitutionen (v.a. der Sozialakademie und des in Planung befindlichen Fachhochschul-Studiengangs) erfolgen.

  • Zu untersuchen sind aber auch die konkreten wirtschaftlichen Konsequenzen für die Steiermark, etwa im Hinblick
    • auf die Altersstruktur in den steirischen Betrieben sowie die praktizierte Personaleinstellungs- und -entwicklungspolitik;
    • auf die arbeitsmarktpolitischen Folgen der EU-Integration Sloweniens und Ungarns für die Steiermark;
    • auf die zukünftige Angebotspolitik im steirischen Tourismus (der steigende Anteil älterer Menschen hat nicht nur eine stärkere Präsenz auf den Freizeitmärkten, sondern auch tiefgreifende Veränderungen im Freizeitverhalten zur Folge);
    • auf die Verkehrspolitik (in Anbetracht der rasch wachsenden Zahl betagter Führerscheinbesitzer).
  • Vor allem der regionale Aspekt sollte dabei im Vordergrund stehen, da Bezirke und insbesondere Gemeinden in sehr unterschiedlichem Ausmaß von Bevölkerungsrückgang und Alterung betroffen sind:
    1. Welche Konsequenzen hat der demographische Wandel für die einzelnen Bezirke (etwa im Hinblick auf die zukünftige Siedlungsentwicklung, den Wohnungs- und Grundstücksmarkt oder die Auslastung bzw. den zusätzlichen Bedarf an sozialer und technischer Infrastruktur)?
    2. Wie läßt sich die Abwanderung in den davon besonders betroffenen Regionen stoppen, und welche Maßnahmen sind dazu notwendig (die ja in hohem Maße von den regionalen Gegebenheiten abhängig sind)?
    3. Eine wichtige Grundlage für eine realistische Abschätzung des zukünftigen Bedarfs an ambulanten und stationären Einrichtungen wäre auch die Analyse der regionalen Entwicklung der Haushalte auf der Ebene der Integrierten Sozial- und Gesundheitssprengel.

Um die vielfältigen Konsequenzen des demographischen Wandels zu erkennen, ist daher ein umfassendes Forschungsprogramm notwendig. Unterstützt kann die Forschungstätigkeit werden durch:

  • eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den einschlägigen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (insbesondere in den Bereichen Demographie, Regionalforschung, Sozialmedizin und Gerontologie), ebenso wie
  • den Aufbau einer Fachbibliothek für Demographie und Alters-(sozial)politik, da die einschlägige Fachliteratur (sofern überhaupt vorhanden) auf die verschiedensten Bibliotheken bzw. Institute verteilt ist;
  • eine stärkere Koordination der Forschungsaktivitäten zwischen den Bundesländern (etwa durch eine Art Clearing-Stelle beim Land als zentrale Informations- und Auskunftstelle) und die enge Kooperation mit dem beim Familienministerium neu eingerichteten ,Kompetenzzentrum für Senioren- und Bevölkerungspolitik‘".

5. Ausbau des demographischen und infrastrukturellen Berichtswesens in der Steiermark

Wichtigste Voraussetzung und Grundlage der Forschung in diesem Bereich ist ein effizientes Informationssystem, um rasch und umfassend zu aktuellen Daten über die demographischen Veränderungen und die infrastrukturelle Entwicklung im Altenhilfebereich zu kommen:

  • Aufgabe des demographischen Berichtswesens ist die kontinuierliche Beobachtung insbesondere der regionalen demographischen Entwicklung ("demographisches Monitoring") und die laufende Evaluierung der Prognosedaten anhand aktueller Bevölkerungsdaten. Denn die Ergebnisse der Bevölkerungsprognosen bilden die Grundlagen für Planungen, Strategien und Maßnahmen.

Zum Teil erfolgt eine solche Beobachtung bereits im Rahmen der Landesstatistik. Allerdings sollte stärker als bisher eine permanente Abstimmung der Prognosedaten mit der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung erfolgen.

  • Aufgabe des infrastrukturellen Berichtswesens ist das Monitoring der Veränderungen in der Altenhilfe-Infrastruktur, um damit ebenfalls ein brauchbares Instrument für Planungen und Entscheidungen zu bekommen. Ziel ist die Erfassung und Vernetzung der zahlreichen sozialen Dienste und Initiativen, die in der Steiermark tätig sind.

Im Rahmen der Rechtsabteilung 9 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung läuft bereits seit einiger Zeit ein EDV-gestütztes Dokumentationsprojekt, das solche Informationen erfaßt. Als Ergänzung zu dem bereits laufenden Projekt "Dokumentation von Sozialdaten" sowie zu dem im Aufbau befindlichen EDV-gestützten Dokumentationsprojekt über Pflegeheime schlägt daher die ÖBIG die Entwicklung einer "Infrastrukturstatistik" vor (Steirischer Entwicklungsplan 1997, S. 38 f), die im wesentlichen folgende Aufgaben hat:

  • die Sammlung und laufende Aktualisierung von Informationen über die am Markt vertretenen Anbieter (Heime, soziale Dienste etc.) und über geplante oder im Bau befindliche Heimprojekte, sowie
  • die Informationsweitergabe an die Bezirke und das Feedback für die Leistungsanbieter (in Form anonymisierter Kurzauswertungen).

Dadurch können praktisch "auf Knopfdruck" alle wichtigen Daten über die Anbieter von Pflegeeinrichtungen ebenso wie über künftige Kapazitätserweiterungen verfügbar sein.

 

Literaturverzeichnis

BADELT Christoph u.a. (1995): Kosten der Pflegesicherung. Strukturen und Entwicklungstrends der Altenbetreuung. Sozialpolitische Schriften Bd. 4 Wien u.a.

BADELT Ch./ÖSTERLE A. (1998): Grundzüge der Sozialpolitik. Spezieller Teil. Wien.

BEIRAT FÜR WIRTSCHAFTS- UND SOZIALFRAGEN (1997): Beschäftigungspolitik. Bd. 72. Wien.

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1 EUROSTAT (1997): Demographische Veränderungen in der EU bis zum Jahre 2050. Statistik kurzgefaßt. Bevölkerung und soziale Bedingungen, Nr. 7/1997.
2 Als „alte Menschen“ bzw. „Senioren“ wird hier die 60jährige und ältere Bevölkerung verstanden.
3 Siehe dazu u.a. ROSENMAYER L. (1996): Altern im Lebenslauf. Göttingen; SCHWINGER S. /SCHEIB W. (1998): Hurra, wir leben länger! Ein Lifestylebuch. Wien; SCHEIDGEN H. (Hg.) (1988): Die allerbesten Jahre. Weinheim und Basel.
* Es handelt sich hier um eine indexmäßige Darstellung: Um die zum Teil stark unterschiedlich großen Bundesländer (wie Wien und Vorarlberg) in einer Grafik vergleichen zu können, werden die Bevölkerungszahlen der einzelnen Bundesländer jeweils auf ein Ausgangsjahr (hier: 1997 = 100) bezogen. Dadurch lassen sich die Bevölkerungsentwicklungen in den einzelnen Bundesländern gut vergleichen.
4 Siehe dazu u.a. BACCHIELI (1996): The Medium and Long Term Impact of Demographic Ageing. Bruxelles.
5 Die vollständige Studie ist am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Graz zu bestellen. (Tel.: 0316/380-3521; Fax: 0316/380-9535).
6 Regionale Bevölkerungsprojektionen werden auch vom Österreichischen Institut für Raumplanung (ÖIR) erstellt, die allerdings einen kürzeren Prognosehorizont und etwas andere Wanderungsannahmen aufweisen (Österreichische Raumordnungsprognose 1997).
7 Diese Bevölkerungszahl beruht auf Registerdaten der Einwohnererhebung (die eine Sekundärstatistik ist und auf dem Hauptwohnsitzprinzip beruht) und ist nur beschränkt mit den Ergebnissen der Volkszählung (= Primärerhebung, ordentliches Wohnsitzprinzip) vergleichbar. Die nächsten vergleichbaren Daten bringt erst die Volkszählung 2001.
8 Das entspricht in etwa dem Stand von 1920.
9 Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch eine Studie der Arbeiterkammer Steiermark (BARWINEK/KIRISITS, 1998; S. 87ff)
10 Dabei liegen diesen Prognosen noch eher vorsichtige Schätzungen zugrunde. Verglichen mit anderen Industrieländern rangiert nämlich Österreich bezüglich der Lebenserwartung seiner Bevölkerung im unteren Mittelfeld. Eine höhere Lebenserwartung haben bei beiden Geschlechtern Frankreich, Italien, Schweden, Schweiz und auch Spanien; unter den öster reichischen Werten liegen Dänemark, Finnland, Portugal und die Türkei (Statistisches Bundesamt 1998).
11 Unter der Nettoreproduktionsrate versteht man die durchschnittliche Zahl lebendgeborener Mädchen pro Frau im gebärfähigen Alter.
12 Dieser Wert entspricht in etwa dem historischen Tiefststand der 30er Jahre (zur Zeit der
13 HALLER M./HÖLLINGER F. (1994): Sozialstruktur Steiermark 1991. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Sozialforschung und Sozialplanung Steiermark, Band 2, S. 51 ff.
14 Ein (Privat-)Haushalt umfaßt alle Personen, die zusammen wohnen und eine gemeinsame Hauswirtschaft führen (also auch jenes Dienstpersonal, das im Haushalt Kost und Quartier hat). Daneben gibt es noch die sog. Anstaltshaushalte, wie z.B. Heime, Kasernen, Klöster
15 Als Erwerbspotential bezeichnet man gewöhnlich den Anteil der Bevölkerung zwischen 15 und 60 Jahren.
16 Erwerbsquote = Anteil der Berufstätigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter
17 Die Erwerbsneigung ist abhängig vom Alter und weist auch deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede auf.
18 ÖROK 1996, S. 90f.
19 Siehe dazu auch FINDL P., HOLZMANN R., MÜNZ R. (1987): Bevölkerung und Sozialstaat.
20 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine neue Studie der Arbeiterkammer Wien (SCHÖNBAUER 1998).
21 Dazu zählen vor allem J.M. KEYNES und seine Epigonen.
22 Vgl. dazu LOY (1997), S. 55 ff.
23 So bewirkt das System der Vollversicherung im Gesundheitsbereich, daß Auswahlentscheidungen vorwiegend unter Qualitäts-, kaum jedoch unter Kostenaspekten
** Zu diesen sozialen Diensten zählen insbesondere:
- sozialmedizinische und soziale Betreuungsdienste wie Hauskrankenpflege, Alten- und Heimhilfe, Physiko- und Ergotherapie, Heilgymnastik
- Familienbetreuung
- Essenszustelldienste (im Rahmen der Aktion „Essen auf Rädern“)
- Notruftelefon, Hilfsmittelzentralen u.ä. Einrichtungen.
24 Die Personalausstattung im klientennahen Bereich ist ein wichtiger Indikator für die Qualität der Leistungserbringung eines Heimes. „Die nachweislich ungenügende Personalausstattung der steirischen Heime hat zur Konsequenz, daß oftmals lediglich von einer ,improvisierten Aufrechterhaltung des Betriebes‘ gesprochen werden kann und die Pflege und Betreuung bloß im Abwickeln der allernotwendigsten betreuungstechnischen Verrichtungen nach dem Motto ,Satt und sauber‘ besteht“ (Steirischer Entwicklungsplan 1997, S. 203).
25 Siehe dazu u.a. URBAS E., WIEGELE B. (1994): Qualitätssicherung in der geriatrischen
26 BIRG bezeichnet diese Entwicklung als die „Wohlstandsfalle“ des demographischen
27 Eines der Seminare des Europäischen Forums Alpbach 1998 (Generalthema „Die zerrissene Gesellschaft“) lautete denn auch: „Generationenvertrag – Generationenkonflikt“.
28 Siehe dazu Zentrum für Alterswissenschaften (1994), S. 16f.

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