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Lebensqualität bedeutet mehr als Gesundheit

Eine medizinsoziologische Untersuchung

Gerhard Grossmann, Daniela Kocher

1. Allgemeine Bemerkungen zum Untersuchungsablauf

Insgesamt waren 45 InterviewerInnen im Einsatz, dabei wurden beachtliche 2.890 km zurückgelegt. Der Zeitaufwand kann mit 910 Personenstunden, allerdings ohne Fahrzeit, beziffert werden.

Der Untersuchungszeitraum betrug vier Wochen, untersucht wurde simultan (zeitgleich in der gesamten Steiermark), um möglichst homogene Befragungsergebnisse zu erzielen. Zur EDV-mäßigen Verarbeitung gelangten schlußendlich 178.000 Einzeldaten.

Abschließend muß noch angemerkt werden, daß die allgemeine Bereitschaft für die Teilnahme an der Befragung in den Städten doch erheblich größer war als in den traditionellen Landgemeinden.

Besonders groß, nämlich zu 100% war die Bereitschaft in den besuchten Alten- und Pflegeheimen; hier wurde unsere Anwesenheit als wohltuende Abwechslung empfunden. Dieser "soziale Nebeneffekt" unserer Untersuchung kann sogar objektiviert werden, wenn man den durchschnittlichen Zeitaufwand pro interviewten Person vergleicht. In den Heimen benötigte man pro Befragung ca. 30–40% mehr Zeitaufwand (Grund: die Befragten erzählten viele Momentaufnahmen aus ihrem Leben).

2. Die Ergebnisse der medizinsoziologischen und sozialepidemiologischen Untersuchung

2.1. Soziodemographische Beschreibung der Studienpopulation

Die nachstehenden Tabellen weisen die für die vorliegende empirische Untersuchung relevanten soziodemographischen Merkmale, getrennt nach den Wohnregionen "Stadt" und "Land", auf.

Damit die Lesbarkeit und vor allem die Vergleichbarkeit der einzelnen tabellarischen Abschnitte gewährleistet sind, werden sowohl die Absolutwerte als auch die Prozentpunkte eigens angeführt.

Die ausgewiesenen Tabellen verstehen sich als sogenanntes "Querschnittprofil" der Untersuchungspopulation.

2.2. Demographisches "Stadt-Land-Profil"

  AUSWERTUNG Stadt Land
  Anzahl der Fragebögen 199 100% 321 100%
  ländlich 8   209  
  gewerblich 78   88  
  industriell 1   21  
  leer 115   3  
1 Alter Mittelwert 74,86   71,45  
  60–75 90 45% 215 67%
  über 75 109 55% 106 33%
  leer 0   0  
2 Frauen 142 71% 204 64%
  Männer 57 29% 117 36%
3 Familienstand        
  ledig 18 9% 25 8%
  verheiratet 63 32% 162 50%
  geschieden 20 10% 9 3%
  Lebensgemeinschaft 4 2% 2 1%
  verwitwet 92 46% 120 37%
4 Bildung   89%   93%
  Volksschule 43 22% 163 51%
  Bürgerschule 2 1% 3 1%
  Hauptschule 56 28% 55 17%
  Berufsschule 16 8% 31 10%
  Landwirtschaftsschule 0 0% 3 1%
  Handelsschule 17 9% 8 2%
  Lehre 3 2% 2 1%
  Meisterprüfung 4 2% 3 1%
  Matura (Gymnasium, B-Matura) 20 10% 10 3%
  Universität 13 7% 2 1%
  keine 0   6 2%
  leer 4 2% 14 4%
5 Aktiv 5 3% 13 4%
  Ruhestand 194 97% 308 96%
6 Beruf (vor dem Ruhestand)        
  Hausfrau 39 20% 85 26%
  angelernte Arbeiter(in) 14 7% 42 13%
  Facharbeiter(in) 16 8% 28 9%
  Angestellte(r) 58 29% 59 18%
  leitende(r) Angestellte(r) 14 7% 2 1%
  Beamte/in 26 13% 23 7%
  selbst./freiberufl. Tätigkeit 11 6% 6 2%
  Gewerbetreibende(r) 16 8% 18 6%
  Landwirt(in) 2 1% 53 17%
  Sonstiges 2 1% 0  
  leer 1 1% 4 1%
7 Leben        
  allein 112 56% 115 36%
  mit Partner(in) 56 28% 108 34%

2.3. Soziodemographische Beschreibung, Studienpopulation: Frauen

  AUSWERTUNG Stadt Land
  Anzahl der Fragebögen 102 100% 187 100%
  ländlich 2   132  
  gewerblich 46   43  
  industriell 0   10  
  leer 53   2  
1 Alter Mittelwert 73,92   71,88  
  60–75 49 48% 119 64%
  über 75 53 52% 68 36%
  leer 0   0  
2 Frauen 102 100% 187 100%
  Männer        
3 Familienstand        
  ledig 5 5% 14 7%
  verheiratet 25 25% 75 40%
  geschieden 14 14% 4 2%
  Lebensgemeinschaft 1 1% 2 1%
  verwitwet 57 56% 90 48%
4 Bildung   89%   96%
  Volksschule 23 23% 107 57%
  Bürgerschule 2 2% 1 1%
  Hauptschule 29 28% 32 17%
  Berufsschule 8 8% 14 7%
  Landwirtschaftsschule 0   0  
  Handelsschule 10 10% 6 3%
  Lehre 0   0  
  Meisterprüfung 1 1% 1 1%
  Matura (Gymnasium, B-Matura) 11 11% 6 3%
  Universität 5 5% 0  
  keine 0   2 1%
  leer 2 2% 11 6%
5 Aktiv 0   3 2%
  Ruhestand 102 100% 184 98%
6 Beruf (vor dem Ruhestand)        
  Hausfrau 28 27% 81 43%
  angelernte Arbeiter(in) 4 4% 19 10%
  Facharbeiter(in) 4 4% 4 2%
  Angestellte(r) 36 35% 28 15%
  leitende(r) Angestellte(r) 9 9% 1 1%
  Beamte/in 8 8% 6 3%
  selbst./freiberufl. Tätigkeit 3 3% 4 2%
  Gewerbetreibende(r) 6 6% 10 5%
  Landwirt(in) 1 1% 30 16%
  Sonstiges 2 2% 0  
  leer 1 1% 3 2%

2.4. Soziodemographische Beschreibung, Studienpopulation: Männer

AUSWERTUNG Stadt Land
  Anzahl der Fragebögen 52 100% 105 100%
  ländlich 1   67  
  gewerblich 20   31  
  industriell 1   6  
  leer 30   1  
1 Alter Mittelwert 72,73   70,81  
  60–75 29 56% 77 73%
  über 75 23 44% 28 27%
  leer 0   0  
2 Frauen        
  Männer 52 100% 105 100%
3 Familienstand        
  ledig 2 4% 5 5%
  verheiratet 35 67% 77 73%
  geschieden 2 4% 4 4%
  Lebensgemeinschaft 3 6% 0  
  verwitwet 9 17% 18 17%
4 Bildung   92%   88%
  Volksschule 11 21% 42 40%
  Bürgerschule 0   1 1%
  Hauptschule 18 35% 18 17%
  Berufsschule 4 8% 13 12%
  Landwirtschaftsschule 0   3 3%
  Handelsschule 3 6% 1 1%
  Lehre 2 4% 1 1%
  Meisterprüfung 3 6% 2 2%
  Matura (Gymnasium, B-Matura) 2 4% 3 3%
  Universität 4 8% 2 2%
  keine 0   3 3%
  leer 1 2% 3 3%
5 Aktiv 3 6% 6 6%
  Ruhestand 49 94% 99 94%
6 Beruf (vor dem Ruhestand)        
  Hausfrau 0   0  
  angelernte Arbeiter(in) 4 8% 20 19%
  Facharbeiter(in) 9 17% 17 16%
  Angestellte(r) 10 19% 26 25%
  leitende(r) Angestellte(r) 5 10% 1 1%
  Beamte/in 12 23% 12 11%
  selbst./freiberufl. Tätigkeit 4 8% 1 1%
  Gewerbetreibende(r) 7 13% 7 7%
  Landwirt(in) 1 2% 20 19%
  Sonstiges 0   0  
  leer 0   1 1%

2.5. Auswertung: Familienstand "Stadt – Land"

  AUSWERTUNG Stadt Land
    verheiratet verwitwet verheiratet verwitwet
  Anzahl der Fragebögen 60 100% 66 100% 152 100% 108 100%
  ländlich 2   0   108   70  
  gewerblich 28   30   35   29  
  industriell 1   0   7   8  
  leer 29   36   2   1  
1 Alter Mittelwert 71,57   76,38   69,5   74,81  
  60–75 37 62% 23 35% 122 80% 48 67%
  über 75 23 38% 43 65% 30 20% 60 33%
  leer 0   0   0   0  
2 Frauen 25 42% 57 86% 75 49% 90 64%
  Männer 35 58% 9 14% 77 51% 18 36%
3 Familienstand                
  ledig                
  verheiratet 60 100%     152 100%    
  geschieden                
  Lebensgemeinschaft                
  verwitwet     66 100%     108 100%
4 Bildung   88% 91% 93% 93%      
  Volksschule 12 20% 16 24% 80 53% 56 52%
  Bürgerschule 0   1 2% 1 1% 0  
  Hauptschule 18 30% 21 32% 21 14% 21 19%
  Berufsschule 5 8% 5 8% 18 12% 7 6%
  Landwirtschaftsschule 0   0   3 2% 0  
  Handelsschule 6 10% 3 5% 3 2% 2 2%
  Lehre 0   1 2% 1 1% 0  
  Meisterprüfung 3 5% 1 2% 3 2% 0  
  Matura (Gymnasium,                
  B-Matura) 3 5% 7 11% 4 3% 5 5%
  Universität 5 8% 3 5% 1 1% 0  
  keine 0   0   2 1% 2 2%
  leer 1 2% 2 3% 5 3% 7 6%
5 Aktiv 2 3% 0   5 3% 1 1%
  Ruhestand 58 97% 66 100% 147 97% 107 99%
6 Beruf (vor dem Ruhestand)                
  Hausfrau 9 15% 18 27% 33 22% 44 41%
  angelernte Arbeiter(in) 2 3% 3 5% 22 14% 9 8%
  Facharbeiter(in) 6 10% 3 5% 19 13% 2 2%
  Angestellte(r) 16 27% 19 29% 24 16% 17 16%
  leitende(r) Angestellte(r) 5 8% 7 11% 2 1% 0  
  Beamte/in 12 20% 5 8% 11 7% 4 4%
  selbst./freiberufl. Tätigkeit 3 5% 2 3% 3 2% 2 2%
  Gewerbetreibende(r) 5 8% 6 9% 10 7% 6 6%
  Landwirt(in) 0   2 3% 28 18% 19 18%
  Sonstiges 2 3% 0   0   0  
  leer 0   1 2% 0   4 1%

3. Psychosoziales und körperliches Wohlbefinden

3.1. Subjektiver Gesundheitsstatus der Studienpopulation

Bei der vordergründigen Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, daß ein relativ hoher Prozentsatz der Befragten, nämlich 66% angeben, sich als subjektiv "gesund" zu fühlen. Nun, bei einer detaillierteren Analyse der Antworten ergibt sich doch ein etwas anderes Bild.

So hat eine Vielzahl der befragten Personen angemerkt, daß die Einstufung "körperlich gesund" mit zunehmendem Alter weniger davon abhängig ist, wie gesund man tatsächlich ist, sondern vor allem davon geprägt ist, wie man mit den altersbedingten Befindlichkeitsstörungen umgehen kann. Dieser Umstand zeigt recht deutlich, daß es nahezu unmöglich ist, ein genormtes "Befindlichkeitsprofil" zu entwickeln und daß medizinische Parameter, in welcher Vielzahl sie auch immer zur Verfügung stehen, nicht unbedingt ursächlich mit der Befindlichkeitsstruktur der Betroffenen in Beziehung zu setzen sind.

Diagramm 1:

Daß dieses Umgehen mit "objektivierbaren" Wohlbefindlichkeitsstörungen schlußendlich auch eine krasse Divergenz zwischen der "medizinischen Diagnose" und der "mitgebrachten Diagnose" nach sich zieht, müßte eigentlich ein Anlaßfall dafür sein, besonders die medizinische Versorgung älterer Personen einem konstruktiven Dualismus zwischen den "Erkenntnissen der medizinischen Forschung" und dem tatsächlichen persönlichen "Behandlungsbedarf" besser aufeinander abzustimmen.

 

 

Zu erwarten war, daß die Variablen "ausgeübter Beruf, Geschlechtszugehörigkeit, Lebensalter, soziale Herkunft, Familienanbindung und die Lage des Wohnortes" die subjektive Befindlichkeit stark prägen.

So klagen zum Beispiel sich im Ruhestand befindliche LandwirtInnen wesentlich häufiger über körperliche Indispositionen als vergleichsweise Personen, die eine weniger anstrengende Tätigkeit ausgeübt haben.

Ein weiteres geschlechtsspezifisches Detail der Untersuchung: Frauen klagen auffallend weniger über körperliche Befindlichkeitsstörungen als Männer.

Ein weiteres markantes Ergebnis der Untersuchung ist der Vergleich zwischen den "ländlichen Regionen" und den "städtischen Lebensräumen" in bezug auf die Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit.

Die Korrespondenz zwischen Lebens- bzw. Wohnumfeldqualität und dem Gesundheitszustand bestätigt sich einmal mehr in eindrucksvoller Weise. Besonders für ältere Menschen ist die Wohnumfeldqualität von außerordentlicher Bedeutung, da ja oft eine eingeschränkte Mobilität, sei sie aus gesundheitlichen oder technischen Gründen (z.B. keine Verfügbarkeit eines eigenen PKWs), die Verweildauer im eigenen Wohnumfeld stark beeinflußt.

Daher ist eine Flucht aus dem "Belastungssetting" nur mehr eingeschränkt möglich.

Diagramm 2:

Diese Ergebnisse finden sich übrigens auch in der "Notfallstudie Graz" wieder, wo die speziellen Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Krankheit und den jeweiligen Umweltbedingungen aufgezeigt werden (GROSSMANN 1998:186ff.).

3.2. Einschätzungspanorama der Studienpopulation über allgemein medizinische Belange

Die Diagramme 3 und 4 vermitteln einen Einblick in das psychosoziale Befindlichkeitsbild der Untersuchungspopulation.

Auch hier sind die ausgewiesenen Werte als recht beeindruckend zu sehen, allerdings gelten auch hier die ähnlichen Vorgaben wie bei der Interpretation der "körperlichen Gesundheit": mit zunehmendem Lebensalter steigt im allgemeinen auch das "Toleranzniveau". Erleben basiert auf vielen Erfahrungswerten, und die subjektive Positionierung des psychosozialen Wohlbefindens wird im Sozialvergleich der vergangenen Erlebnisse relativiert.

Diagramm 3:

Diagramm 4:

3.3. Wetterfühligkeit als ein Indikator für die subjektive Wohlbefindlichkeitsbeeinträchtigung

Gerade witterungsinduzierte Befindlichkeitsstörungen betreffen in einem hohem Ausmaß ältere Menschen. Der nächste Untersuchungsabschnitt beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie weit die befragten Personen nun tatsächlich den witterungsbedingten Beschwerdebildern eine Bedeutung für ihr Wohlbefinden beimessen.

Im Schrifttum finden sich eindeutige Belege für die zunehmende Wetterfühligkeit alter Menschen (LANGMANN 1974:68ff.).

Diagramm 5:

Diagramm 6:

Die vorliegenden Ergebnisse entsprechen den Mittelwerten diesbezüglich international angestrengter Untersuchungen (MARTIN/BRADLEY 1980:34ff.).

Auffallend sind die sehr geringen Differenzen zwischen den städtischen und den ländlichen BewohnerInnen.

Eindeutige Unterschiede in der Beschwerdefrequenz lassen sich zwischen den Männern und den Frauen erkennen.

Warum Frauen grundsätzlich wetterfühliger sind als Männer, ist bis heute noch unzureichend geklärt, lediglich das Faktum der höheren subjektiv empfundenen Belastungsintensität findet sich in allen Altersgruppen wieder.

Diagramm 7:

3.4. Medizinische Versorgung und Senioren

Die nachstehenden Graphiken erlauben einen Einblick in die Interaktionsmuster zwischen der Medizin und den Senioren. Von den befragten Personen haben 56% der Frauen und 47% der Männer angegeben, in ärztlicher Behandlung zu sein.

Bei der Betrachtung des nachstehenden Diagramms fällt auf, daß die Frequenz der Arztbesuche, bis auf zwei Ausnahmen, im ländlichen Bereich größer zu sein scheint als im urbanen Wohnbereich.

Nun, die auffallenden Unterschiede zwischen "Stadt" und "Land" lassen sich insbesondere durch zwei bemerkenswerte Details erklären:

  1. In den ländlichen Gebieten sind die Erkrankungen des Bewegungsapparates häufiger anzutreffen als in der Stadt, was übrigens kaum verwundert, da ja die Betroffenen häufig schwere körperliche Arbeit verrichteten.
  2. Viele der befragten Personen, die in den ländlichen Regionen leben, gaben an, daß sie ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihren praktischen Ärzten haben und daß das Gefühl des "Umsorgtseins" für sie einen wesentlichen Bestandteil der allgemeinen Therapie ausmacht.

Diagramm 8:

Diese besondere Form der praktizierten "Arzt-Patienten-Beziehung", die im ländlichen Raum öfter anzutreffen ist als im städtischen Bereich, läßt sich auch in der relativ hohen Vertrauensquote in der Medizin wiederfinden.

In der Folge werden einige Untersuchungsergebnisse graphisch dargestellt.

Diagramm 9:

Diagramm 10:

 

4. Lebensqualität und Freizeitverhalten

4.1. Einschätzung der Umweltqualität

Nun, die Unterschiede der subjektiv bewerteten Lebensumfeldqualität zwischen den ländlichen Gebieten und den Städten entspricht auch den tatsächlichen Umweltparametern. Die hier präsentierten Untersuchungsergebnisse zeichnen ein interessantes "Empfindungspanorama" der befragten SeniorInnen und dokumentieren die Sensibilität gegenüber Umweltbelastungsfaktoren.

Die nachstehenden Diagramme lassen die Umweltqualitätsdifferenzen zwischen "Stadt und Land" deutlich erkennen.

Diagramm 11:

Diagramm 12:

4.2. Freizeitaktivitäten

Die Vielfalt der genannten Freizeitaktivitäten der befragten Personen war durchaus verblüffend. Das immer wieder angestrengte, durch Vorurteile geprägte Bild des "älteren Menschen", der mehr oder weniger teilnahmslos den Tag verbringt, muß endgültig über Bord geworfen werden.

Gerade die älteren BewohnerInnen in ländlichen Gebieten pflegen die im Laufe des Lebens geschlossenen Freundschaften weiter, und zwar in Vereinen und bei selbst organisierten Gesellschaftsabenden. Interessant ist der Umstand, daß die aktive Gestaltung von Freizeit und Unterhaltung im ländlichen Raume aktiver betrieben wird als in der Stadt; auch ein Hinweis für die Gefahr der "sozialen Vereinsamung" im städtischen Lebensraum. Hier bedarf es noch einiger Anstrengungen, um den "Lebensraum Stadt" wieder als Lebensraum zu strukturieren und nicht durch eklatantes Verkennen der Nutzungsbesonderheiten des städtischen Raumes "Wirtschafts- und Kulturzonen" zu schaffen, die leider keine "Lebenskulturzonen" mehr sind. Dieser Umstand wird von den SeniorInnen und von den Touristen gleichermaßen beklagt.

Diagramm 13:

Diagramm 14:

Auch bei den sportlichen Aktivitäten lassen sich Unterschiede zwischen "Stadt und Land" erkennen. Während das Spazierengehen in ländlichen wie auch städtischen Regionen fast gleichermaßen betrieben wird, zählen wandern und radfahren zu den klaren Favoriten der in den ländlichen Gebieten lebenden SeniorInnen.

Anzumerken wäre noch, daß die sportliche Betätigung bei den SeniorInnen immer mehr an Zuspruch erfährt.

Diagramm 15:

5. Ausblick

Infolge der gestiegenen Lebenserwartung bzw. der demographischen Alterung kommt es zu erheblichen Veränderungen im Bereich des Familien- und Lebenszyklus. Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Beitrag, ein neues "Lebensqualitätspanorama" für SeniorInnen zu entwickeln.

Grundlegende Untersuchungsdaten stehen nun zur Verfügung, sodaß mit einer "sozialen Reorganisation" der Einstellungshaltung gegenüber älteren Menschen begonnen werden kann.

Einzelne Untersuchungsergebnisse haben klar und deutlich gezeigt, daß viele der üblichen Einstellungen älteren Menschen gegenüber einfach nicht mehr aufrecht zu erhalten sind. Allerdings ist es sinnvoll und auch hilfreich, wenn man eine Differenzierung des Begriffes "Alter" in Anwendung bringt.

Die von Ch. Lalive d’ Epinays vorgeschlagene Unterteilung in vier Altersphasen ermöglicht eine auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Lebensqualitätssicherung.

PHASE 1: In dieser Phase leben die Eltern wieder alleine, die Kinder sind in der Regel ausgezogen. Das Alter der Eltern ist mit etwa 50 Jahren niederzuschreiben.
PHASE 2: Eintritt in das Pensionsalter. Freizeit und Freiheit stehen im Vordergrund. Wichtige Aspekte sind das Einkommen, die Gesundheit und die Familienstruktur. Meist ist noch ein Elternteil am Leben. Die Hauptbedrohung sind in diesem Lebensabschnitt der Verlust des Partners bzw. der Partnerin oder eine beeinträchtigte Gesundheit.
PHASE 3: Das Nachlassen der körperlichen und zum Teil auch geistigen Fähigkeiten und das Benötigen zusätzlicher externer Hilfen kennzeichnen diesen Lebensabschnitt.
Einerseits besteht der Wunsch nach Autonomie, andererseits mehren sich die schwer bzw. nicht mehr zu lösenden Aufgaben.
PHASE 4: Verlust der Freiheit. Das Leben des alten Menschen ist durch zahlreiche körperliche Beeinträchtigungen bestimmt. Das Verbleiben in der eigenen Wohnung muß oft aufgegeben werden. Diese Lebensphase beginnt im allgemeinen nach dem 80. Lebensjahr. Ein Großteil der Menschen durchlebt diesen Zeitraum bereits alleine.

Wenn diese Auflistung der Lebensabschnitte auch nicht unbedingt erfreulich klingen mag, so birgt sie doch ein gerüttelt Maß an vorbeugenden Überlegungen. Mit anderen Worten: das erklärte Ziel der Gesellschaft muß es sein, keine "uniformen Pflegerichtlinien" für ältere Menschen zu erlassen, sondern die jeweils benötigte Dosis an Pflege und Unterstützung zu sichern.

Wenn es uns gelingt, den vor allem von der Wirtschaft so gehuldigten Jugendkult nur ansatzweise abzuschwächen und zu erkennen, daß die Attraktivität und auch die Aktivität einer Gesellschaft einzig und allein in einer Durchmischung der Altersgruppen besteht, dann wäre dies ein bedeutender Schritt in eine "gemeinsame statt einsame Zukunft".

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